Lauter Bräute
klingelte das Telefon, und Miß Keeler sagte mit eisiger Stimme: »Würden Sie bitte heraufkommen zu Mr. Carroll? Sofort.«
»Sind die Albacinis wieder da?«
»Ja.«
Also fuhr ich hinauf, und wieder drängte ich mich durch die verdrießliche Menge. Diesmal machte Mr. Carroll kurzen Prozeß mit mir. Er stauchte mich gnadenlos zusammen. Sogar Mrs. Albacini war beeindruckt. Als die Standpauke vorüber war, verlangte Mr. Carroll zu wissen, wann die Kleider zur Verfügung stehen würden. Ich sagte es ihm. Es wurde eine neue Verabredung für den nächsten Tag um zwölf getroffen; und ich kehrte in dem Gefühl an die Arbeit zurück, von einem Moloch zermalmt worden zu sein.
Um halb sechs, als ich mich gerade zum Gehen anschickte, stakste Kirkpatrick in mein Büro und sagte: »Miß Evans.«
»Ja?«
»Mr. Carroll hat mich beauftragt, Ihnen wegen der Vorfälle heute nachmittag einen offiziellen Verweis zu erteilen.«
»Bitte, fangen Sie an, Mr. Kirkpatrick.«
»Sie haben keine Veranlassung, schnippisch zu werden, Miß Evans.«
»Ich bin nicht schnippisch. Sie sagten, daß Mr. Carroll Sie beauftragt habe, mir einen offiziellen Verweis zu erteilen, also bitte, beginnen Sie und geben Sie ihn mir.«
Er sagte kein Wort mehr. Er blickte mich einen Moment durchdringend an, dann stiefelte er hinaus. Es war der erste offizielle Verweis meines Lebens. Welch prächtiger Anfang mit einem neuen Etagenchef.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
4
Als ich zu Hause ankam, war ich so zerschlagen, und meine Lebensgeister waren auf einem derartigen Tiefpunkt, daß ich den Wunsch hatte, Suzanne anzurufen und unsere Verabredung für den Abend abzusagen. Nach meinem Tag mit den Albacinis und Kirkpatrick konnte ich unmöglich vergnügt und unbeschwert sein. Ich mußte jedoch feststellen, daß ich einfach nicht die Energie aufbrachte, ihre Nummer zu wählen und mich der endlosen Debatte auszusetzen, die zweifellos folgen würde. Also trank ich eine Tasse aufgewärmten Kaffee, der zwar grausig schmeckte, mir jedoch irgendwie die Kraft zum Weiterleben gab; dann verkroch ich mich zwanzig Minuten in ein heißes Bad und fühlte mich, alles in allem, hinterher beinahe wieder menschlich.
Plötzlich begann mein Telefon zu läuten, als ob es bei mir gratis Goldstücke gäbe. So ist das an manchen Abenden — als versuchte ganz New York einen zu erreichen; während an anderen Abenden, wenn man wunder wieviel drum geben würde, eine vertraute Stimme zu hören, das kleine, schwarze Teufelsding in der Ecke hockt und keinen Ton von sich gibt.
Zuerst rief natürlich Suzanne an, um sich zu vergewissern, ob ich auch nicht vergessen hatte, daß sie mich um sieben Uhr abholen wollte.
»Nein, ich habe es nicht vergessen.«
»Gut. Nun, hör zu, tu mir einen großen Gefallen und zieh etwas ziemlich Elegantes an. Tust du das?«
»Was meinst du damit, was ist etwas ziemlich Elegantes?«
»Das überlasse ich dir. Du hast einen erträglich guten Geschmack. Aber ich beabsichtige dafür zu sorgen, daß wir uns heute abend gut unterhalten, und da möchte ich gern, daß du so gut aussiehst wie möglich.«
»Suzanne —«
»Bis nachher, Miß Evans.«
Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, klingelte es von neuem. Diesmal war es ein Mädchen, das früher in der Werbeabteilung bei Fellowes gearbeitet und jetzt eine phantastische Stellung in der Madison Avenue hatte. Sie wollte wissen, ob ich mit ihr zu einer unterirdischen Filmvorführung um Mittemacht in einem unbenutzten Lagerhaus in einer Seitenstraße des Lower Broadway gehen wollte. »Nein, vielen Dank«, lehnte ich höflich ab. Ich hatte einige dieser unterirdischen Mitternachtsfilmvorführungen in verlassenen Lagerhäusern gesehen und wirklich kein großes Verlangen, diese Erfahrung zu wiederholen.
Der nächste Anruf erfolgte von einem Mann, den ich kennengelernt hatte, als ich einen Abendkursus in Kostümentwurf mitmachte. Er entschuldigte sich wegen der kurzfristigen Einladung, aber er habe gerade zwei Karten für das Ballett heute abend erhalten, und ob ich frei sei, mitzukommen? Nun, ich war nicht frei. Wie es denn mit Abendessen nächste Woche wäre? Nächste Woche nicht, erwiderte ich, vielleicht die Woche darauf. Er war intelligent und sah gut aus; irgendwie hegte ich jedoch den Verdacht, daß er verborgen im Hintergrund eine Angetraute besaß, und ich hatte wenig Neigung, mich da zu engagieren. Reiner Selbstschutz. Raoul in Paris war mir noch sehr gut im Gedächtnis.
Dann klingelte zu meinem
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