Lauter Bräute
größten Erstaunen als nächster Mr. Giachino an, und für einen Brautkleidfabrikanten aus Neu England klang er sehr flott. »Hallo, Miß Evans! Ha-ha! Ich erwische Sie tatsächlich zu Hause. Prächtig! Raten Sie mal, wer hier ist.«
Seine Stimme war so unverkennbar, daß ich sie noch nach tausend Jahren erkannt hätte. Unwillkürlich durchzuckte mich eisiger Schrecken. Warum sollte er mich zu Hause anrufen! »Mr. Giachino! Ist irgend etwas nicht in Ordnung? Die Order Albacini —« Ich konnte den Satz nicht einmal zu Ende bringen. Denn wenn mit dem Auftrag Albacini etwas nicht in Ordnung war, brauchte ich morgen gar nicht erst zur Arbeit zu erscheinen. Dann war ich erledigt. Fellowes würden mich, durchaus zu Recht, höchst unsanft auf die Straße setzen.
Er lachte fröhlich glucksend. »Keine Sorge, Miß Evans. Die Dinge sind bestens im Griff. Ich habe die ganze Order B 439 hier bei mir. Und raten Sie mal, wo ich bin?«
»Sind Sie noch in Boston?«
»In New York, Miß Evans! Im Hotel Marlborough! Hatte ich nicht versprochen, selbst mitzufliegen?« Und resolut fuhr er fort: »Hören Sie zu. Wenn Sie heute abend nichts besonderes vorhaben, würden Sie dann mit mir zu Abend essen mögen? Barberry Room, Le Pavillon, sagen Sie nur, wohin Sie wollen. Chinesisch, Hawaiisch, ein gutes Steak, mir ist alles recht.«
»Es tut mir so leid, Mr. Giachino. Ich bin bereits zum Abendessen verabredet. Ich bin gerade im Begriff, mich anzuziehen.«
»Ehrlich?«
»Ja, ganz ehrlich.«
Er seufzte. Richtig leid tat er mir. »Wie schade«, meinte er dann. »Ich hatte mir gedacht, wir würden nett zusammen essen, dann irgendwas im Theater ansehen, hinterher noch in eine Bar gehen, so richtig vergnügt sein. Außerdem habe ich Ihnen einen interessanten, kleinen Vorschlag zu machen, den ich mit Ihnen besprechen wollte. Wäre es nicht möglich, daß Sie Ihre Verabredung auf einen anderen Abend legten?«
»Das kann ich nicht, Mr. Giachino. Es tut mir wirklich schrecklich leid.«
Ein neuer Seufzer. »Na, schön. Dann sehe ich Sie also gleich morgen früh, ja?«
»Ja. Und vielen Dank, daß Sie an mich dachten.«
Ich legte auf und überlegte, was das wohl für ein interessanter, kleiner Vorschlag sein mochte, den er mit mir besprechen wollte. Im Verlaufe der letzten zwei oder drei Jahre hatte ich eine ganze Anzahl interessanter, kleiner Vorschläge erhalten; und ich hatte dabei festgestellt, daß ein interessanter, kleiner Vorschlag im allgemeinen etwas war, das man höflich aber fest ablehnte. Mr. Giachino war viel zu nett, um mir beispielsweise vorzuschlagen, ich solle ein langes Wochenende mit ihm in den Catskills verbringen, oder es werde mein Schaden nicht sein, wenn ich einem seiner Modelle ein bißchen vorwärtshelfen würde, das sich zu langsam verkaufte, oder er werde sich sichtbar erkenntlich zeigen, wenn er einige Auskünfte über die Pläne einiger seiner Hauptkonkurrenten erhalten könne. Andererseits war es unwahrscheinlich, daß er mir einen völlig uneigennützigen Vorschlag zu machen hatte, wie beispielsweise ein Abonnement für die Oper oder ein halbes Jahr Aufenthalt in einer fürstlichen Villa in Rom — ohne Bedingungen und Gegenleistungen. Ich konnte ziemlich sicher sein, daß sein Vorschlag überhaupt nicht interessant sein würde; und wenn, dann konnte ich ihn keinesfalls annehmen.
Ich war gerade dabei, ein neues, elegantes Modellkleid von Trigère aus feiner, schwarzer Wolle überzustreifen (das ich für ein Ei und ein Butterbrot von der Einkaufsassistentin der Boutique im dritten Stock erworben hatte, weil eine ungeschickte Kundin einen Saum aufgezogen hatte), als es an der Tür klingelte. Es war Suzanne, in einem tollen, hellblauen Cape von Givenchy, das ich noch nicht kannte. Sie lachte mich an und sagte strahlend: »Überraschung, D’Arcy, Überraschung!«
Eine Überraschung war es in der Tat. Sie brachte zwei Herren mit (wenn ich nicht so erschöpft gewesen wäre, hätte ich mir sagen können, daß sie etwas derartiges plante), und ich benötigte mindestens noch zehn Minuten konzentrierter Tätigkeit, ehe ich mich vor einem Vertreter des anderen Geschlechts sehen lassen konnte. Ich führte sie ins Wohnzimmer, wies Suzanne an, ihnen etwas zu trinken zu geben und enteilte in mein Schlafzimmer, um das Werk zu vollenden, das mich, wenn schon nicht unwiderstehlich, so doch zumindest vorzeigbar machen sollte. Suzanne kam gleich darauf hinterher, mit einem Martini für sich und einem für mich. Sie setzte
Weitere Kostenlose Bücher