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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Wohin fahren wir?«
    »In ein neues Lokal, das Witold entdeckt hat, North Shore, in der Nähe von Huntington. Er sagt, sie haben dort phantastische Musik, das Essen ist hervorragend, und die Kellnerinnen tragen Bikinis.«
    »Bikinis!« schrie ich auf. »Huntington, Long Island? Mein Gott, das sind ungefähr zwei Stunden Fahrt! Und ich bin am Verhungern, Suzanne!«
    Jetzt war sie wirklich ärgerlich. »Du übersiehst die Tatsache, daß dies ein Alfa Romeo 2600 ist. Der fährt phantastische Geschwindigkeiten. Und Witold fährt. Er ist ein unerhört guter Fahrer. Du hast nicht den geringsten Grund, dich aufzuregen.«
    Ich brauchte keinen IBM-Computer, um mir auszurechnen, warum Witold fahren sollte: das würde Eric und mir Gelegenheit geben, hinten zu sitzen und uns näher zu kommen. Und fein ausgeklügelt, wie so ein italienischer Alfa Romeo 2600 gebaut war, würden Eric und ich gar nicht umhin können, uns näher zu kommen. Schon zwei Zwergpinscher würden auf dem Rücksitz um Lebensraum kämpfen müssen; zwei menschlichen Wesen blieb gar nichts anderes übrig, als sich so eng wie möglich ineinander zu schachteln und umeinander zu wickeln. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich jemanden in so kurzer Zeit so eingehend kennengelernt!
    Mit aufheulendem Motor und krachendem Getriebe brausten wir los. Witold gehört zu den Leuten, die, wo immer dies möglich ist, mit hundertvierzig fahren müssen; Eric wurde hin- und hergerissen zwischen Sympathie für mich und Angst um sein kostbares Auto und entwickelte daher im Laufe der Fahrt eine echte Schizophrenie. Zu allem Übel raste Witold, ein feuriges, polnisches Volkslied vor sich hinsummend, auch noch an der Biegung vorbei, die uns zum Queens Midtown Tunnel hätte bringen sollen. Ein wenig weiter wurde er auf dem East River Drive von einem alten Volkswagen abgelenkt, der die Frechheit besaß, den Alfa Romeo 2600 zu überholen, und weil er den verfolgte, verpaßte er die Abzweigung zur Queensboro Brücke. Noch ein Stück weiter erwischte er die falsche Straße für die Abfahrt zur Triboro Brücke; und es dauerte nicht lange, und wir hatten uns rettungslos im Bronx verfahren. Nach dreiviertel Stunden ziellosen Umherirrens kamen wir — reiner Glückszufall — auf die Boston Post Road, und ich rollte in rasendem Tempo auf die liebe, altbekannte Stadt zu, in die ich nie wieder einen Fuß setzen wollte. Vielleicht hatte die Vorsehung es anders bestimmt.
    Wir sausten durch Westchester nach Connecticut hinein, während Eric einen Arm um meine Schultern und den anderen um meine Knie geschlungen hielt. Trotz seiner Bemühungen, und obwohl das Verdeck hochgeklappt war, saß ich im eisigen Wind; mein Gesicht war steifgefroren und meine Finger waren abgestorben vor Kälte. Kurz vor Norwalk muß ich wohl leise gewimmert haben, denn wir hielten schließlich an einer Autoraststätte, wo man uns bei dröhnender Musikbox prächtige Frikadellen vorsetzte und eine herkömmlich vollbekleidete Kellnerin mich Kindchen nannte.
    Auf der Rückfahrt quetschten Suzanne und Witold sich nach hinten. Ich saß vom neben Eric, und die Heizung hielt mir die Knie warm. Hinten heulte jedoch weiter der arktische Orkan, worüber Suzanne sich laut und bitterlich beklagte.
    Eric war ein angenehmer Gefährte. Er fuhr vorsichtig; er erkundigte sich nach meiner Arbeit, und ich fragte ihn nach der seinen; wir plauderten über Theater und Film. Vor noch nicht langer Zeit hätte ich es aufregend gefunden und wäre beglückt gewesen, einen Abend auf diese Weise zu verbringen — in einem Sportwagen durch die Landschaft zu brausen; und ich war ein wenig überrascht, daß es mich heute durchaus nicht aufregte. Irgend etwas war in dem vergangenen Jahr mit mir geschehen. War ich diesen kaum abenteuerlich zu nennenden Abenteuern entwachsen. Wünschte ich mir jetzt — ja, was? Ich hatte keine Ahnung, was ich mir wünschte oder wohin ich wollte.
    Suzanne wohnte in der 28. Straße. Als sie und Witold aus dem Wagen krochen, sah ich voller Mitleid, wie sie vor Kälte mit den Zähnen klapperte. Sie war meine beste Freundin; sie war — auf ihre Weise — den ganzen Tag über so lieb und großzügig gewesen; dafür war ich sehr dankbar und sagte es ihr auch. Dann fuhr Eric in flottem Tempo die Fifth Avenue hinunter zur Zehnten Straße. Wieder hatte er Glück — fast direkt vor meinem Haus war eine Parklücke. Er stellte den Motor ab, lief höflich vom um den Alfa Romeo 2600 herum, mir die Tür zu öffnen, und als ich

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