Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
wenn Nina Haysmill für die Aufnahmen erscheine, da sie herunterkommen und sie begrüßen wolle. Das war auf seine Weise bedeutungsvoller, als im Gesellschaftsblatt zu stehen. Wenn Miß Martin eine Braut persönlich zu begrüßen wünschte, konnte man sicher sein, daß das Mädchen von Kopf bis Fuß aus 24karätigem Gold bestand.
    Also rief ich Miß Martins Büro an und sprach mit ihrer Sekretärin, Miß Roche. »Augenblick, bitte«, erklärte diese; und dann war Miß Martin am Apparat, von überströmender Liebenswürdigkeit, wie Public-Relations-Leute das bei der kleinsten Gelegenheit an sich haben. »Miß Evans? Nina Haysmill ist da für die Aufnahmen? Wie nett. Wann wäre der geeignete Augenblick, daß ich herunterkomme, um der lieben Nina guten Tag zu sagen? Jetzt? Oder wenn die Aufnahmen gemacht sind?«
    »Jetzt«, sagte ich. »Hinterher geht alles immer so in Eile.«
    »Ja, natürlich. Gut. Ich bin gleich unten.«
    Ich ging hinaus ins Foyer, um mit Tommy Leeman zu sprechen, das heißt, ihn vor Hölle und Verdammnis zu warnen, wenn er nicht rechtzeitig die Anprobe räumte. Er war beschäftigt, Alice Pye zu umgarnen, wie Suzanne gesagt hatte; Alice war rot vor Verlegenheit und genoß die Situation ausgiebig.
    »D’Arcy!« rief er laut, als er mich kommen sah. »D’Arcy!«
    Das Foyer war voller Menschen, doch solche Kleinigkeiten störten ihn nicht. Er nahm mich in die Arme und küßte mich leidenschaftlich auf beide Wangen. Ich entwand mich ihm eilends und sagte: »Tommy! Das können Sie hier doch nicht tun.«
    Er griff nach meiner Hand. »Wissen Sie einen besseren Ort?«
    Ich konnte ihm einfach nicht böse sein. Niemand brachte das fertig. Tommy mußte mindestens dreißig sein, aber er war kein Erwachsener: Er war noch ein Junge. Er hatte ein schmales, gutgeschnittenes Gesicht und eine dichte, blonde Tolle, die ihm in die Stirn fiel, sowie er sich bewegte. Er war dünn wie eine Latte und brauchte ganz offenbar jemanden, der aufpaßte, daß er richtig aß und zweimal täglich seine Vitamintabletten nahm. Er trug ein Tweed-Jackett und Leinenhosen, Winter wie Sommer, und alle seine Tweed-Jacken hatten Lederflicken an den Ellenbogen. Das Merkwürdige an ihm war, daß er eine Vorliebe für Frauen hatte. Und zwar Frauen jeder Größe und Gestalt. Er machte sogar Mrs. Buckingham schöne Augen, die ihn zuerst mit hoheitsvoller Verachtung behandelt hatte, dann jedoch dahinschmolz und mir anvertraute, er erinnere sie an ihren lieben, dahingeschiedenen Albert. Tommys echte Liebe zu Frauen zeigte sich in seinen Fotos. Er besaß eine unendliche Geduld, und seine Bilder zeigten die Frauen, wie er sie sah, sanfte, rosige Geschöpfe, zu nichts anderem auf der Welt als für die Liebe. Eine Ansicht, der nur wenige Frauen widersprechen würden.
    »Tommy, sind Sie fertig für diese Aufnahmen?« fragte ich.
    »Aber sicher.«
    »Gut.« Und ich begann, ihn wegen der Anprobe Albacini um zwölf ins Bild zu setzen.
    »D’Arcy, ich kann unmöglich um Viertel vor zwölf fertig sein. Ich brauche mehr Zeit — «
    »Mit Miß Haysmill brauchen Sie überhaupt keine Zeit. Sie ist eine bekannte Gesellschaftsschönheit. Bei ihr brauchen Sie nur den Apparat zu nehmen und schnapp, schnapp zu machen. In einer halben Stunde sind Sie allemal fertig.«
    »D’Arcy, das ist einfach lächerlich — «
    »Es ist nicht lächerlich. Machen Sie, so schnell Sie können. Und noch etwas: Miß Haysmill gehört wirklich zur höchsten Gesellschaft, also legen Sie Ihr bestes Benehmen an den Tag. Keine Ihrer netten, kleinen Tricks, wenn ich bitten darf.«
    Wieder wollte er protestieren, doch in dem Augenblick schwebte Miß Martin ins Foyer, gefolgt von Miß Roche, die ein Notizbuch in der Hand trug, und damit wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt. Miß Roche ist nämlich ungefähr zwei Meter groß, und das schien unserem kleinen Mann offenbar zu gefallen. Doch Miß Martin gefiel ihm noch wesentlich mehr. Sie sieht auch keineswegs aus wie eine Vizepräsidentin. Sie ist schlank und königlich, hat flachsblondes, glatt zurückgekämmtes Haar und einen Nackenknoten; dazu hat sie einen seltsam jungfräulichen, verträumten Ausdruck in ihren kristallklaren, blauen Augen. Hinter diesen blauen Unschuldsaugen verbirgt sich allerdings ein Verstand, der scharf ist wie eine Rattenfalle — daher ihre Position bei Fellowes.
    Ich stellte ihr Tommy vor, und sie hüllte ihn in eine Wolke von Charme. »Oh, Mr. Leeman«, sagte sie. »Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Nun,

Weitere Kostenlose Bücher