Lauter Bräute
Miß Evans hat Ihnen sicher bereits gesagt, daß sämtliche Redakteure von Gesellschaftsnachrichten nach Fotos von der lieben Nina schreien, wir werden also — wie viele Abzüge werden wir brauchen, Miß Roche?«
»Sagen wir dreihundertfünfzig, um ganz sicher zu gehen«, bestimmte Miß Martin. »Ich bin sicher, Sie werden sich selbst übertreffen, Mr. Leeman. Nina ist so ein hübsches Mädchen. Ich kenne ihren Vater gut — Gavin Church Haysmill, reizender Mann. Sie werden Ihr Bestes tun, nicht wahr?«
»Ja«, stammelte Tommy, überwältigt von diesem Redestrom.
»Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn ich dabeibliebe, während Sie die Bilder machen. Gesellschaftsredakteure sind sehr pingelig...«
»Nein«, erwiderte Tommy abrupt. »Tut mir leid, Miß Martin. Ich erlaube nie jemandem, dabeizusein, wenn ich arbeite.«
»Aber, mein lieber Mr. Leeman, glauben Sie mir, ich bin durchaus gewöhnt, dabeizusein, wenn einige der besten Fotografen der Welt arbeiten.«
Tommy unternahm einen verzweifelten Versuch, es ihr zu erklären. »Die Kundinnen sind befangen, wenn jemand zusieht. Sie versteinern. Das ist nicht fair. Das Mädchen kann sich nicht so geben, wie es ist. Tut mir leid. Ich gestatte das niemals.«
Miß Martin zuckte mit den schlanken Schultern und sagte mißbilligend: »Na, schön.« Dann wandte sie sich zu mir. »Kommen Sie, Miß Evans. Gehen wir zu Miß Haysmill.«
Ich ging voran in die Anprobe. »Was für ein ausnehmend unsympathischer junger Mann«, erklärte sie, als wir den engen Korridor betraten. »Wo haben Sie denn den bloß aufgetan?«
»Mrs. Snell hat ihn gefunden. Er ist sehr gesucht. Er soll einer der besten Fotografen New Yorks für Brautaufnahmen sein.«
»Notieren Sie«, rief Miß Martin über die Schulter zu Miß Roche. »Überprüfen Sie den Hintergrund und die Qualifikationen dieses jungen Mannes. Meines Erachtens haben wir ein Recht zu erwarten, daß sich unsere Fotografen einigermaßen zivilisiert benehmen.«
Anprobe drei war gedrängt voll. Suzanne war dort und Margot Barry und Mrs. Docherty und Miß Grampion (von ihr waren nur die in weichen Hausschuhen steckenden Füße sichtbar; der Rest steckte unter dem weiten Rock, wo sie die Krinoline in Ordnung brachte), und eine der Näherinnen tat ein paar letzte Stiche am Kleidersaum.
Ich hatte Miß Haysmill schon einige Male vorher gesehen, doch noch nie so wie heute. Sie war völlig verwandelt. Hübsch war sie immer mit ihrem dunklen Haar und der schlanken Figur, doch sie erschien immer zu ruhig, zu passiv. Das Hochzeitskleid und insbesondere Margots Kopfputz hatten das alles verändert. Jetzt wirkte sie nur insofern passiv, als sie auf etwas Wunderbares zu warten schien, das ihr bevorstand, und abwesend war sie, weil sie einer entfernten Musik lauschte. Sie war viel liebreizender und graziöser geworden und schien einige Zentimeter über dem Fußboden zu schweben.
Ihr Ausdruck veränderte sich, als Miß Martin mit ihr zu plaudern begann. Sie war wieder auf der Erde und beantwortete Fragen nach der Hochzeit, den Gästen, ihrem Vater und dem Vater des Bräutigams. Der Zustand der Verzückung war unterbrochen, und Suzanne spürte es. Sie sagte: »Miß Margot, sind Sie fertig mit dem Kopfputz? Miß Grampion, sind Sie da unten fertig? Mrs. Docherty, ist der Saum jetzt in Ordnung? Gut. Kommen Sie, Miß Haysmill, dann wollen wir jetzt gehen und die Fotos machen lassen.«
»Ein bezauberndes Kleid«, sagte Miß Martin. »Es steht Ihnen wunderbar, Miß Haysmill.«
Miß Haysmill nickte abwesend.
»Adieu«, sagte Miß Martin.
Wieder nickte Miß Haysmill abwesend.
Suzanne führte sie hinüber in den großen Anproberaum, blieb ungefähr eine Minute bei ihr (richtete wahrscheinlich die Schleppe und vergewisserte sich, daß die Handschuhe ordnungsgemäß zugeknöpft waren) und kam dann mit ärgerlichem Gesicht heraus (wahrscheinlich, weil Tommy Leeman sie hinausgejagt hatte).
»So ein reizendes Mädchen«, sagte Miß Martin zu mir. »Haben Sie ihren Verlobten auch kennengelernt?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Wie füreinander geschaffen, die beiden«, schwärmte Miß Martin. »Er verbringt seine ganze Zeit im Mittelmeer, jagt Fische und sucht griechische Amphoren.« Sie wandte sich zu Miß Roche. »Notieren Sie. Ich muß ein paar Worte an Gavin Haysmill schreiben, daß ich Nina gesehen habe, und daß sie exquisit aussah in ihrem Brautkleid. Daß sein Herz vor Stolz höher schlagen muß etcetera. — Gehen wir, Adieu, Miß
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