Lauter Bräute
wir in Arbeit haben? Wollen Sie die auch streichen? Oder vielleicht drehen wir den Spieß um, indem wir feststellen, daß wir die Lieferdaten für diese Aufträge nicht einhalten können. Vielleicht müssen wir mit Bedauern erklären, daß...«
»Mr. Giachino! Das können Sie nicht tun!«
»Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Völlig unfähig. Idiotische Stümper. Keine Aufträge mehr. Und Sie wollen mir sagen, daß Sie gern hier arbeiten? Schwer zu glauben. — Adieu, Miß Evans. Wünsche Ihnen ein gutes Jahr — und eine Menge Bräute.«
Wutschnaubend stürzte er davon.
Ich griff zum Telefon und rief Mr. Cavanaughs Büro an. Seine Sekretärin, Jean Ehrlich, sagte: »Tut mir leid, D. Er ist gerade zu einer Sitzung gegangen. Ich glaube kaum, daß ich noch vor Tisch einen Zipfel von ihm zu sehen kriege.«
»Jean, ich muß ihn so bald wie möglich sprechen. Es ist schrecklich dringend.«
»Arger mit K.?«
»K.?«
»Euer neuer E. C.«
Plötzlich ging mir ein Licht auf. »Woher weißt du?«
»War vorauszusehen«, erklärte sie. »Schön, ich passe auf und sage E. D. sofort Bescheid, wenn er kommt.«
Mir schwirrte der Kopf. »Wem?«
»E. D.«, wiederholte sie.
Natürlich. Einkaufsdirektor.
»Danke, Jean«, sagte ich.
»Aber gerne, D.«
Jemandem mußte ich es erzählen. Mit einer Menschenseele mußte ich sprechen, um die Last loszuwerden. Suzanne eilte geschäftig draußen an meiner Tür vorbei. Ich rief sie an. Sie kam in mein Büro und sagte erschrocken: »Was ist denn passiert? Du siehst so blaß aus.«
»Kirkpatrick hat mir eben erklärt, daß wir keine Aufträge mehr an Giachino vergeben sollen.«
»Du machst Witze.«
»Es ist wahr. Mr. Giachino saß dabei, hier im Büro.«
Sie lachte auf. »Das ist das Beste, was ich seit Monaten gehört habe. Dann müssen wir den Brautsalon zumachen. Wie reizend! Aber im Ernst, D’Arcy: Müssen wir Giachino von der Liste streichen? Wo jetzt die Juni-Bräute anmarschiert kommen? Wer wird unsere Aufträge übernehmen? Bruno, Bianchi, Priscilla? Die sind sowieso bis oben eingedeckt.« »
»Ich werde mit Mr. Cavanaugh sprechen.«
»Nein.«
»Das muß ich. Was sonst?«
»Warum willst du den Kopf hinhalten? Tu genau das, was dir aufgetragen ist. Es ist nicht unsere Verantwortung, wenn wir alle unsere Kunden verlieren. Er ist der Verantwortliche.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Na, schön«, meinte sie, »vielleicht kannst du dir den Luxus leisten, ein Gewissen zu haben. Ich nicht. Ich befolge stets meine Anweisungen. — D’Arcy, ich muß machen, daß ich weiterkomme. Ich bin gerade dabei, Miß Haysmill fürs Foto zurechtzumachen. Willst du einen wandelnden Traum sehen? Dann geh in die Anprobe drei und sieh dir dies Mädchen an. Sie hat keinen Funken Verstand im Kopf, aber sie sieht so hinreißend aus, daß man sie kaum für ein irdisches Wesen hält.«
Wandelnde weibliche Traumgestalten ließen mich in diesem Augenblick kalt. Ich fragte: »Ist der Fotograf da?«
»Tommy Leeman? Ja, er ist im Empfang und schäkert mit Alice Pye.«
»Ich möchte ihn sprechen, ehe er anfängt.«
»Es ist noch Zeit«, erklärte Suzanne. »Bei uns dauert es sicher noch fünf Minuten.« Sie winkte mir flüchtig zu und war verschwunden.
Das Haysmill-Foto war einer der Gründe, warum ich die Anprobe Albacini bis zum Mittag verschoben hatte. Die meisten unserer Fotografen brauchten ungefähr zwanzig Minuten für ein Brautfoto, Tommy Leeman war anders. Er hätte mit größter Wonne den ganzen Tag damit verbracht, ein Foto nach dem anderen zu machen; und ich wollte ihm sehr deutlich sagen, daß er um Viertel vor zwölf aus der großen Anprobe verschwunden sein müsse, mitsamt seinen Lampen und Apparaten — andernfalls würde ich die Hausverwaltung alarmieren, um ihn am Kragen zu nehmen. Die Anprobe Albacini mußte um Punkt zwölf Uhr glatt über die Bühne gehen. Einer weiteren Sitzung mit Mr. Carroll fühlte ich mich einfach nicht gewachsen.
Ehe ich hinausging, um mit Tommy zu sprechen, überprüfte ich meine Auftragskarte für die Hochzeit Haysmill. Es war eine der großen Hochzeiten des Jahres. Nina Haysmill war die jüngste Tochter des Wall Street Börsenmaklers Gavin Church Haysmill, und sie heiratete Donald Furnieux Watkins III, dessen Vater, Mr. Watkins II, ein Bankier der Wall Street war. Das Ganze war ein Unternehmen so von Geld und Gut geprägt, daß Miß Martin, unsere Vizepräsidentin für Public Relations, mir gesagt hatte, sie wünsche benachrichtigt zu werden,
Weitere Kostenlose Bücher