Lauter Bräute
war unordentlich, die Augen dunkel, und seine Haut war nicht nur gelblich-fahl, sie schien auch fleckig zu sein. Dazu hatte er einen kalten und geringschätzigen Gesichtsausdruck. Ich hatte das Gefühl, daß er jeden und alles verachtete, bis auf das Kind, das ihn hierhergebracht hatte.
»Es tut mir leid, Lucy. Ich glaube nicht, daß das möglich ist.«
»Oh, Miß Evans!« jammerte sie los.
Mr. Brown lächelte. Es war ein unangenehmes Lächeln, das mir kalte Schauer über den Rücken jagte. »Sie können es mir nicht zeigen? Oder wollen Sie es nicht? Um welches von den beiden handelt es sich genau?«
»Ich bin sicher, Sie werden verstehen, Sir. Ich kann es niemandem zeigen ohne vorherige Genehmigung von Miß Brown — Miß Helen Brown.«
»Aber mir haben Sie es doch gezeigt!« rief Lucy.
»Halt den Mund, Lucy«, sagte Mr. Brown. Er lächelte mich wieder auf die gleiche, verächtliche Art an. »Und darf ich fragen, warum Sie Helens Genehmigung einholen müssen?«
»Täte ich es nicht, könnte sie es als unbefugte Einmischung in ihre Privatangelegenheiten ansehen.« Ich weiß nicht, was mich veranlaßte, das zu sagen; doch während ich es aussprach, wußte ich, daß es zutraf.
Lucy erklärte mit schriller Stimme: »Miß Evans, ich möchte nur, daß mein Vater sieht —«
»Halt den Mund, Lucy«, wiederholte er. Zu mir gewandt, sagte er: »Verschwenden wir nicht noch mehr Zeit. Ich höre, daß Helen hier ein billiges Brautkleid gekauft hat — «
Ich unterbrach ihn: »Es ist nicht billig, Mr. Brown. Es kostet hundertzehn Dollar. Es ist ein reizendes Kleid.«
»— und einen billigen Schleier —«
»Nein, Sir. Er kostet fünfundvierzig Dollar. Durchaus nicht billig. Wir verkaufen dieses Modell sehr viel.«
Damit mußte ich einen Nerv getroffen haben. Plötzlich wurde er wildwütend. »Was soll das heißen, Sie verkaufen das Modell sehr viel? Ist mir verdammt egal, wie viele Sie verkaufen. Lucy hat mir erzählt, es ist billiges, schäbiges Zeug, und ich glaube ihr.«
»Oh, Lucy«, sagte ich zu dem kleinen Mädchen, »es ist kein billiges, schäbiges Zeug. Wie konntest du so etwas sagen?«
Auch sie fuhr hoch, und es war, als spuckte ein kleines Kätzchen mich an: »Miß Evans, es ist nicht hübsch genug für Helen. Helen muß das hübscheste Kleid der Welt haben —«
»Aber es ist hübsch, Lucy.«
»Dann zeigen Sie es meinem Vater.«
Ich starrte sie an. Ich starrte Mr. Brown an.
Er sagte höhnisch: »Ist ein Vater nicht verantwortlich für das Brautkleid seiner Tochter? Ist das nicht so üblich?«
»Ja, Sir, normalerweise ist das so —«
Er explodierte: »Offen gesagt, Ihre Meinung zu dem, was normal oder nicht normal ist, interessiert mich nicht. Ich will nicht, daß meine Tochter wie eine Landstreicherin zum Altar geht. Also lassen Sie mich sehen, ob Lucy recht hat. Bringen Sie das Kleid heraus, Miß Evans.«
Ich saß in der Falle. Ich konnte sein Ansinnen nicht ablehnen; aber zustimmen konnte ich ihm auch auf keinen Fall; und ich wußte nicht, was tun. Verzweifelt blickte ich in die Runde, und da war wie üblich Kirkpatrick — er stand am Empfang und betrachtete mich mißbilligend. Ich hatte mit nie träumen lassen, daß der Augenblick kommen würde, da sein Anblick mein Herz vor Freude hüpfen lassen würde. Zu Mr. Brown sagte ich hastig: »Entschuldigen Sie mich einen Moment«, und flog auf Kirkpatrick zu.
»Mr. Kirkpatrick — «
»Haben wir da schon wieder eine Sitzung der Eheberatungsstelle, Miß Evans?«
»Nein, nein. Mr. Kirkpatrick, ich brauche Ihre Hilfe. Die Tochter dieses Herrn dort drüben ist von zu Hause fortgelaufen, um zu heiraten. Sie hat ihre Brautausstattung hier bestellt. Ich habe sie gestern dem kleinen Mädchen gezeigt, und sie ging heim und erzählte ihrem Vater, das Brautkleid sei zu billig. Nun will der Vater es sehen, doch ich bin nicht geneigt, es ihm zu zeigen. Die Braut könnte sich sehr darüber aufregen. Sie zahlt für das Kleid, und meiner Ansicht nach hat ihr Vater kein Recht, sich in irgendeiner Weise einzumischen.«
Er schien etwas überwältigt; doch er nickte.
»Meinen Sie, daß ich recht habe?«
»Ja«, sagte er zu meiner grenzenlosen Überraschung, »ich bin der Meinung, daß Sie sich korrekt verhalten.«
»Mr. Kirkpatrick, der Mann will nicht auf mich hören. Er ist ein ziemlicher Grobian, und ich fürchte, er könnte hier im Salon eine Szene machen. Würden Sie bitte mit ihm reden?«
»Ja«, erwiderte er ruhig; mir schwanden fast die Sinne:
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