Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
Ihre Tochter? Hallo, mein Fräulein. Wie geht’s? Nun sage mir nicht, du willst dir ein Brautkleid aussuchen. Ha, ha, ha.«
    Mr. Brown war nicht im geringsten beeindruckt. Mit kratziger Stimme sagte er: »Hören Sie, Dietrich, warum erziehen Sie Ihr Personal nicht besser? Warum, zum Teufel, kann ich hier nicht bedient werden, wie es sich gehört?«
    »Nun, nun, O. B.«, erwiderte Mr. Dietrich begütigend. »Wir sind stolz auf unser Personal. Bester Service in New York. Sie wissen das doch. Hier muß ein Mißverständnis vorliegen. Worüber haben Sie sich zu beschweren? Wir werden das gleich aufklären.«
    Ich konnte nicht hören, was Mr. Brown sagte; er wandte mir jetzt den Rücken zu. Aber er sprach hart und mit Nachdruck, und ich konnte mir ausmalen, daß er nicht gerade mein Loblied sang. Mr. Dietrich hörte ihm aufmerksam zu. Dann plötzlich rief er: »Russ.«
    Kirkpatrick verließ mich lautlos und ging hinüber zu ihm.
    »O. B., kennen Sie meinen Schwager, Russel Kirkpatrick?« fragte Mr. Dietrich.
    »Kirkpatrick«, wiederholte Mr. Brown, offenbar überrascht.
    »Jawohl«, wiederholte Mr. Dietrich. »Alicias Bruder.«
    »Ich kenne Ihre Schwester Alicia«, sagte Mr. Brown zu Kirkpatrick, als sei das ein dicker Pluspunkt für ihn.
    »In der Tat?« fragte Kirkpatrick eisig, als würde er es seiner Schwester nie verzeihen, daß sie derart Schande über die Familie gebracht hatte.
    Die beiden Männer sahen schon wieder aus, als wollten sie sich jeden Moment gegenseitig an die Gurgel springen.
    Mr. Dietrich warf hastig ein: »Russ, hier herrscht irgendein dummes Mißverständnis. Um was dreht sich das Ganze?«
    Kirkpatrick hielt die Stimme gesenkt. Mr. Brown unterbrach ihn mehrmals ärgerlich, und Mr. Dietrich gelang es, die beiden auseinanderzuhalten. Schließlich rief Mr. Dietrich: »Miß Evans, würden Sie so freundlich sein, einen Augenblick herzukommen?«
    Ich ging auf die Gruppe zu. Mr. Brown starrte mich an, als sei ich gerade aus dem Boden gekrochen — seinem Grund und Boden. Kirkpatrick blickte mich neugierig und neutral an, als sähe er mich zum erstenmal.
    »Nun, Miß Evans«, meinte Mr. Dietrich jovial, »es ist genau, wie ich dachte — ein kleines Mißverständnis.«
    Ich sagte pflichtschuldig: »Ja, Sir?« Nicht zustimmend, lediglich abwartend, daß er seinen Standpunkt näher erläutere.
    Er fuhr fort: »Ich sehe eigentlich keinen Grund, weshalb Mr. Brown das Brautkleid seiner Tochter nicht gezeigt werden sollte. Sie? Natürlich ist es Ihre Pflicht, die Interessen Ihrer Kundinnen zu wahren, aber Sie können meine Versicherung hinnehmen, Miß Evans, daß Mr. Brown durchaus vertrauenswürdig ist und sein Ersuchen absolut begründet.«
    Unausgesprochen stand hinter seinen Worten zweifellos dieses: Warum haben Sie mich in diesen Schlamassel hineingezogen? Sehen Sie zu, daß ich wieder herauskomme. Schnell. Doch das konnte ich nicht. Mein Gefieder war noch gesträubt. Ich war wütend über die selbstgefällige Siegermiene, die Mr. Brown auf seinem fahlen Gesicht zur Schau trug. Ich bohrte die Fersen in den Teppich, raffte meinen ganzen Mut zusammen und sagte: »Mr. Dietrich, ich muß gestehen, daß ich nicht willens bin, Mr. Browns Ersuchen stattzugeben, solange ich nicht das Einverständnis von Miß Helen Brown habe.«
    O. B. Brown lief grün an in einem erneuten Wutanfall, und Mr. Dietrich legte sich eilends ins Mittel: »Nun, nun, Miß Evans, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten — Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten. Mr. Brown ist der Vater der Braut. Er hat daher jedes Recht, ihr Kleid zu sehen. Bringen Sie es bitte, ja? — Setzen Sie sich, O. B. Machen Sie es sich bequem.«
    Das war ein direkter Befehl vom stellvertretenden Vizepräsidenten des Hauses. Bringen Sie es. Wenn ich ihm den Gehorsam verweigerte, würde meinem Verbleiben bei Fellowes ein sofortiges Ende beschieden sein. Doch noch mehr: Gehorchte ich ihm nicht, würde er selbst das Gesicht verlieren. Noch einmal wandte ich mich fragend an Kirkpatrick. Er antwortete mit einem kaum sichtbaren Kopfnicken.
    Ich ging in den Frischhalter und fühlte mich hundsjämmerlich. Ich fand Kleid und Kopfputz und stand da, beides in der Hand, voller Widerstreben? zurückzugehen in den Salon. Die Sachen gehörten Helen Brown, niemand sonst; sie waren ihr ganz persönliches Eigentum; für sie waren sie äußerst wichtig. Ein unauffälliges Kleidchen für hundertzehn Dollar, ein nicht sonderlich hübscher Schleierputz für fünfundvierzig Dollar.

Weitere Kostenlose Bücher