Lauter Bräute
Kirkpatrick — mein Ritter! Wer hätte das je gedacht?
Er ging hinüber zu Lucy und ihrem Vater, ich hinterher. Er schien seiner selbst völlig sicher. »Guten Morgen«, sagte er höflich zu Mr. Brown. »Miß Evans sagt mir —«
»Und wer, zum Teufel, sind Sie?« herrschte Mr. Brown ihn an. Kirkpatrick straffte sich: »Ich bin der Etagenchef.«
In grenzenloser, blinder Wut sprang Mr. Brown von seinem Sitz auf. »Ich verhandele nicht mit lausigen, kleinen Etagenchefs«, brüllte er. »Machen Sie, daß Sie wieder in Ihr Loch kommen.«
Im Foyer herrschte plötzlich Grabesstille. Ich sah, wie Kirkpatrick blaß wurde.
»Wer leitet diesen Mistladen?« fragte Mr. Brown. »Dietrich, nicht wahr? John Dietrich?« Er wies mit einem reichlich schmutzigen Finger auf Kirkpatrick. »Sie! Gehen Sie und holen Sie Dietrich. Sagen Sie ihm, daß ich ihn sofort sehen will.«
Kirkpatrick rührte sich nicht. Er sagte kein Wort. Er rang hart um Beherrschung.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?« schrie Mr. Brown.
»Ich habe es gehört!« grollte Kirkpatrick.
Mr. Brown kniff die Augen zusammen. Ich beobachtete die beiden Männer mit angehaltenem Atem. Dann, in aufflammender Wut, drängte sich Mr. Brown zwischen Kirkpatrick und mir durch, stürmte hinüber zum Telefon auf Alices Schreibtisch, nahm den Hörer auf und brüllte die Zentrale an: »Geben Sie mir John Dietrich. Und zwar dalli.«
»Der ist irrsinnig«, sagte Kirkpatrick, teils zu mir, teils zu sich selbst.
»Er ist nicht wirklich irrsinnig«, murmelte Lucy, »es ist nur so, daß er gewöhnt ist, mit allem durchzukommen, was er will. Widerstand kann er nicht ausstehen.«
Ich hatte ihre Anwesenheit gänzlich vergessen. Meine Aufmerksamkeit war völlig gefangengenommen gewesen von den beiden Männern, die vor dem sanften, blumengeschmückten Hintergrund des Brautsalons drauf und dran gewesen waren, aufeinander loszustürzen. Doch die Heftigkeit hatte Lucy nicht aus der Ruhe gebracht. Sie sah so süß und unschuldig aus wie je.
Mr. Brown brüllte von neuem ins Telefon: »Büro von Mr. Dietrich? Hier O. B. Brown. Geben Sie mir Mr. Dietrich. — Dietrich? O. B. Brown hier. Hören Sie zu. Ich habe Schwierigkeiten mit Ihren Handlangern in der Abteilung Brautkleider. — Ja, eine Frau namens Evans und ein rothaariger Aufpasser. Seinen Namen weiß ich nicht, und im übrigen, was schert’s mich. — Haben Sie eine Minute Zeit? Gut. Ich warte hier.«
Er knallte den Hörer auf, kam zurück und ging zwischen Kirkpatrick und mir durch, als wären wir nicht vorhanden. Zu Lucy sagte er: »Beruhige dich, mein Herzblatt. Es geht alles in Ordnung.«
»Ja, Papa.« Aber sie hatte keineswegs nötig, sich zu beruhigen. Sie saß da, völlig gesammelt, Knie zusammen, Füße gekreuzt, eine Puppe mit blauen Augen. Sie ist genauso zäh wie ihr Vater, dachte ich. Sie jagte mir eine Heidenangst ein.
Ich machte eine Runde durch den Salon und versuchte, alle, die es nötig hatten, zu beruhigen, daß das Feuerwerk vorüber sei. Dann ging ich zum Empfang, wo Kirkpatrick wieder stand.
Sehr gelassen bemerkte er: »Sie hatten mir nicht gesagt, daß es O. B. Brown war.«
»Tut mir leid. Der Name sagte mir nichts. Er sagt mir immer noch nichts.«
»Ihm gehören einige Quadratkilometer Grund und Boden in und um New York. Darunter ein Anteil an eben jenem Grund und Boden, auf dem Sie stehen.«
Kraftlos fragte ich: »Warum sagt mir niemand solche Sachen?«
»Es ist nicht wichtig, Miß Evans. Sie waren völlig im Recht mit dem, was Sie taten.«
»Danke, Sir.«
Noch nie hatte ich ihn >Sir< genannt. Offenbar hatte ich im Verlaufe der letzten Minuten so etwas wie Hochachtung für ihn entwickelt. Er war widerborstig und schwierig, aber er verhielt sich wie ein Mann, und er war fair. Sie waren völlig im Recht mit dem, was Sie taten. Ich hätte mich nicht gehobener fühlen können, wenn er mir eine Orchidee geschenkt hätte.
Wir brauchten nicht lange zu warten — ein deutliches Zeichen für Mr. Browns geheimnisvolle Macht. Mr. Dietrich eilte mit langen Schritten herbei — ein großer, gutgelaunter Mann, so energiegeladen, daß er das Geheimnis des Perpetuum Mobile gelöst zu haben schien.
Er blickte Kirkpatrick fragend an, mich bedachte er mit einem leichten Stirnrunzeln, und er strebte ohne Halt auf Mr. Brown zu, den er (wie mir schien) etwas zu überströmend herzlich begrüßte: »Hallo, O. B.! Welche Freude, Sie zu sehen. Wie ist es Ihnen denn so ergangen? Sehen fabelhaft aus. Und dies ist
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