Lauter Bräute
vier Dutzend Rosen lagen vor ihr auf dem Tisch.
»Suzanne! Die herrlichen Rosen! Wer hat die geschickt?«
Ich erwartete, daß sie sagen würde: Mr. Brill; doch sie reichte mir einen quadratisdien, cremefarbenen Umschlag, der mir vage bekannt vorkam. So einen hatte ich vor gar nicht langer Zeit gesehen. Dazu sagte sie: »Sieh selbst.«
Der Umschlag fühlte sich dick an — kein Wunder, er war voller Zehn-Dollar-Scheine. »Geld?« fragte ich erstaunt.
»Ja. Hundert Dollar.«
»Die sind mit den Rosen gekommen?«
»Ja.«
»Erzähle. Wer hat das geschickt?«
»In dem Umschlag liegt ein Zettel.«
Ich zog ihn heraus, und während ich las, merkte ich, wie mir die Augen feucht wurden:
Liebe Miß Banville, dies ist nur ein kleiner Ausdruck meines Dankes, Sie haben meiner Tochter in ihrer schwärzesten Stunde geholfen. Ich kann das nie wieder gutmachen und werde immer in Ihrer Schuld stehen.
Ich erwarte Sie zur Hochzeit. Sie werden unser geehrter Gast sein.
Mit freundlichen Grüßen Ihr Stanley R. Harris
»Harris! Ist das der Mr. Harris, der neulich das Brautkleid seiner Tochter zurückbrachte?«
»Eben der.«
»Suzanne, was hast du ausgeheckt? Was soll das heißen, du hast seiner Tochter in ihrer schwärzesten Stunde geholfen?«
Seltsam ruhig sagte sie: »D’Arcy, gestern war mein freier Tag; und ich langweilte mich.«
»Weiter.«
»Da gibt es im Grunde gar nichts zu erzählen. Mitten am Vormittag wußte ich nichts Rechtes mit mir anzufangen, und da fiel mir ein, wie du mir am Tage vorher von Mr. Harris und der merkwürdigen Geschichte mit seiner Tochter Natalie erzählt hattest. Du weißt doch, ich hatte sie beraten, und das Mädchen gefiel mir. Sie war hübsch und amüsant; wir haben sehr zusammen gelacht. Aus einer Augenblicksregung heraus rief ich sie also an, tat so, als telefonierte ich aus dem Geschäft.«
»Angerufen hast du sie? Zu Hause?«
»Wo denn sonst?«
»Wie mir ihr Vater sagte, hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen.«
»Stimmt. Aber sie hat einen eigenen Telefonanschluß mit eigener Nummer in ihrem Zimmer. Unter der hatte ich sie schon früher angerufen, um mit ihr über Anproben und dergleichen zu sprechen.«
»Und was geschah?«
»Sie freute sich mächtig, meine Stimme zu hören. Ich sagte ihr, wie leid es mir tue, daß aus der Hochzeit nichts werde; und sie sagte, sie sei so einsam und unglücklich, daß sie sich am liebsten umbringen würde, und ob ich nicht mit ihr zu Mittag essen wollte.«
»Mittagessen!«
»Ich hatte nichts Besseres vor; außerdem tat das Mädchen mir leid; also nahm ich an. Sie kam in ihrem kleinen englischen Sportwagen in die Stadt gefahren — sind sehr reiche Leute, die Harris’ —, und wir aßen zusammen im Pavillon; und dabei erzählte sie mir die traurige, traurige Geschichte, warum die Hochzeit nicht stattfinden sollte.«
»Suzanne, ich komme um vor Neugierde. Habe mir schon die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, seit Mr. Harris bei mir war.«
»Du bist nicht drauf gekommen?«
»Wie sollte ich?«
»Es lag so absolut auf der Hand. Im Grunde überflüssig, es dir noch zu sagen.«
»Los, weiter.«
»Also, sie war am Samstagabend mit ihrem Verlobten Paul auf einer Party. Sie hatte zuviel getrunken; sie war blau, und Paul wollte sie heimbringen. Unterwegs, im Wagen, trat sie ihm zu nahe.«
»Sie trat ihm zu nahe?«
»Eben. Sie war blau; und sie sagte, da sie ja doch in einer Woche heirateten, warum warten? Sie forderte ihn auf, mit ihr in ein Hotel zu gehen. Paul war entsetzt. Da wurde sie wütend und belegte ihn mit sehr wenig schmeichelhaften Ausdrücken. Sie hatten einen heftigen Streit. Als sie zu Hause ankam, wurde sie etwas nüchterner und schämte sich ihres Benehmens derart, daß sie hinaufsauste in ihr Zimmer und sich einschloß. Und Paul war so aus den Fugen darüber, wie er sich ihr gegenüber benommen hatte, daß er die ganze Nacht nicht nach Hause ging.«
»Und was geschah dann?«
»Ich sagte Natalie, sie benehme sich mehr als töricht. Das habe sie sich auch schon beinahe gesagt, erklärte sie, aber was sollte sie nur tun? Ich befahl ihr, sofort ans Telefon zu gehen, Paul anzurufen und ihm zu sagen, daß sie ihn liebe und immer lieben werde. Nachdem sie zehn Minuten mit mir debattiert hatte, kroch sie wiederstrebend zum Telefon. Das nächste war, daß sie mich stürmisch in die Arme schloß, lachte und weinte und sagte, Paul komme zu uns ins Pavillon.«
»Tat er das?«
»Ja.«
»Wie ist er?«
»Alles andere als
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