Lauter Bräute
Rose, und er lächelte mich reichlich überwältigt an, als sei ihm so etwas noch nie passiert. Aber, um ehrlich zu sein, mir war so was auch noch nie passiert.’ Wir saßen in demselben Boot.
Es blieb nur noch ungefähr eine Stunde bis Mittag, und sie wehte dahin wie der Sommerwind. Alle Bräute waren reizend, die Beraterinnen und die Absteckerinnen vergnügt und zufrieden. Ich war es ebenfalls, und Kirkpatrick hätte nicht das geringste zu beanstanden gefunden, auch wenn er mit dem Mikroskop danach gesucht hätte. Solche Tage gibt es tatsächlich bei uns. Sie leben in der Erinnerung weiter.
Um zwanzig Minuten nach zwölf schlüpfte Alice davon zu ihrer Verabredung in der Stadt, recht blaß und atemlos, aber wie gewöhnlich zum Anbeißen niedlich anzusehen. Ich blieb bis ein Uhr im Foyer, begrüßte Neuankömmlinge und bediente das Telefon; dann übernahm Miß Greene den Empfang, und ich sauste hinab in die Kantine auf einen Grapefruit-Salat und eine Tasse schwarzen Kaffee. Nach einer halben Stunde war ich zurück und schickte Miß Greene zur Mittagspause. Um zwei Uhr begann ich langsam ärgerlich zu werden. Alice war fast eindreiviertel Stunden fort und noch nicht in Sicht; und wir konnten es uns nicht leisten, sie an einem Mittwochnachmittag, mit einem Strom anrollender Juni-Bräute, so lange zu entbehren. Die Beraterinnen arbeiteten emsig wie die Ameisen; von ihnen konnte ich nicht erwarten, daß sie den Empfang im Auge behielten und sich um die neuankommenden Kundinnen kümmerten. Folglich mußte ich im Foyer bleiben, obwohl ich Dinge auf meinem Schreibtisch hätte aufarbeiten müssen, die sich dort nach den vielen unvorhergesehenen Unterbrechungen der letzten Tage häuften.
Doch es ging weiter wie am Vormittag. Wir hatten eine Folge hübscher, netter Mädchen, die uns nicht die geringsten Schwierigkeiten bereiteten. Es machte größtes Vergnügen, sich mit ihnen zu unterhalten, ihnen zuzuhören und sie anzusehen. Sie würden samt und sonders einmal prachtvolle Ehefrauen und Mütter abgeben. Die Zukunft Amerikas würde bei ihnen in guten Händen liegen. Und dann, um dreiviertel drei, kam die hübscheste von allen, noch süßer und reizender als alle vorherigen. Nur war es leider kein Mädchen, sondern ein junger Mann.
Alle starrten ihn an, so hübsch war er. Sanftgebräunte Haut, weiches, goldenes Haar, Augen wie eine Gazelle. Er war groß und schlank und tadellos gekleidet in einen schwarzen Mohair-Anzug mit weißem Seidenschlips.
Etwas zögernd betrat er den Brautsalon. Als er mich am Empfang entdeckte, bedachte er mich mit einem so strahlenden Lächeln, daß ich beinahe dahinschmolz.
»Hallo«, gurrte er mit Turteltaubenstimme.
»Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?« ,
Er kam langsam näher. »Ist dies der Brautsalon?«
»Ja.«
Er warf einen hingerissenen Blick in die Runde. »Bezaubernd. Darf ich hereinkommen? «
Jedes männliche Wesen, das einen legitimen Grund hat, darf den Brautsalon natürlich betreten. Gelegentlich werden wir allerdings von jungen Männern heimgesucht, die nichts weiter wollen, als Bräute begucken, und die scheuchen wir davon. Väter, Brüder, Onkel oder auch Verlobte von Bräuten sind uns natürlich willkommen. Ich fragte: »Sind Sie mit jemandem verabredet?«
»O nein.« Er lächelte und zeigte dabei entzückende Grübchen. »Ich möchte ein Brautkleid bestellen.«
Das versetzte mich nicht unbedingt in Erstaunen. Es geschieht alle Tage, daß Männer bei uns auftauchen und Brautausstattungen bestellen. Es können närrische Väter sein, die ein besonders teures Kleid für eine über alles geliebte Tochter bestellen, oder junge Männer, die von der Idee besessen sind, eine nichtsahnende Braut überraschen zu wollen. Manchmal sind sie auf Geschäftsreise in New York und haben die strikte Anweisung mitgebracht, bei erster sich bietender Gelegenheit zu Fellowes zu gehen und eine komplette Ausstattung für eine Braut zu bestellen, die in Doomsville, Georgia, Last Trump oder Nord-Dakota sitzt. Wir haben Männer aus allen Ecken der Welt abgefertigt, das gehört durchaus in das normale Bild.
»Für wen ist das Kleid?«
»Für meine Schwester Isobel.« Er seufzte. »Das arme Mädchen ist krank. Sie hat einen Virus erwischt.«
»Das tut mir aber leid. Wann will sie heiraten?«
»Im Juni.«
»Heiratet sie in der Kirche?«
»Nein, es wird eine private Trauung. Aber wir planen eine sehr exquisite Zeremonie. Mit großem Pomp. Finden Sie nicht auch, daß das sehr viel
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