Lauter Bräute
Kirkpatrick. Vielen Dank für die Drinks. Es hat Spaß gemacht.«
Er nickte und erwiderte: »Gute Nacht, Miß Evans. Es war mir ein Vergnügen. Bis morgen früh.« Damit marschierte er in Richtung Brevoort davon. Und ich ging, erneut seufzend, in meine Wohnung, um mich frisch zu machen, umzuziehen und meine Verabredung einzuhalten.
Szuannes Wohnung lag im obersten Geschoß eines alten Hauses in der 28. Straße. Reizend und pittoresk, wie eine Kulisse für La Bohème, und man mußte sechs steile Treppen erklimmen, um dort hinaufzukommen. Suzanne war meine beste Freundin; sie würde sich über meine Beförderung ehrlich freuen, sie würde mich aufmuntern und mir Mut machen. Ich war unruhig und aus dem Gleichgewicht; ich war voller Unsicherheit — tausend verschiedene Dinge betreffend, und ich wäre an diesem Abend lieber allein geblieben, um nachzudenken, um zu versuchen, manches ins rechte Licht zu rücken, mit mir selbst ins reine zu kommen, sofern das möglich war.
Ich kam in einigermaßen guter Verfassung im sechsten Stock an und ging links den Korridor hinunter, der zu .Suzannes Wohnung führte. Ein Umschlag, an mich adressiert, war mit zwei winzigen Stückchen Klebestreifen an die Tür geheftet. Drinnen ein Zettel, ein irgendwo abgerissenes Stückchen Papier — Suzanne war stets sehr sparsam. Warum Klebestreifen oder Schreibpapier verschwenden? — Mit Bleistift geschrieben lautete die Nachricht :
Liebe D’Arcy. Tut mir so leid. Nachdem Du angerufen hattest, ist ein alter Freund von mir aufgetaucht, und ich muß Weggehen. Geht nicht anders. Entschuldige. Der Hühnertopf war sowieso ungenießbar. Du verstehst mich bestimmt. S. .B
Ich las es zweimal — Wort für Wort in mich aufnehmend. Und dann bekam ich einen ungeheuren Wutanfall, ein Wunder, daß ich dabei nicht durch das romantische alte Dach fuhr. Während ich die sechs Treppen hinunterklapperte, murmelte ich schreckliche Dinge vor mich hin und schwor tausend heilige Eide, daß ich Suzanne nie wieder Gelegenheit geben würde, das noch einmal mit mir zu machen. In tiefer, gerechter Empörung ging ich in den nächsten Frikadellen-Laden und bestellte mir ein deutsches Beefsteak roh gebraten, an dem ich beinahe erstickte; und ich weinte fast bei dem Gedanken, daß ich jetzt ein köstliches Steak hätte essen können, verlockend lecker mit Brandy-Sauce zubereitet, während ich Mr. Kirkpatricks aufregenden Erzählungen über seine Erlebnisse in den eisigen Gewässern der Bering-See lauschte. Das Schicksal behandelte mich wirklich schlecht, dachte ich und ging maulend nach Hause.
10
Um Punkt elf am nächsten Morgen kam Mr. Kirkpatrick wie verabredet zu mir ins Büro, mit einem dicken, grünen Aktenordner.
Man hätte meinen sollen, daß er mich nach unserem kleinen Tête-à-Tête vom Abend vorher, nachdem er unbedingt mit mir hatte essen wollen, nachdem er geradezu herzlich mit mir gewesen war, mit einem freundlichen kleinen Lächeln, einem aufmerksamen Blick, einem fröhlichen Wort begrüßt hätte.
Nichts dergleichen. Ich hätte es ebensogut geträumt haben können. Daß wir zusammen anderthalb Stunden im Fifth Avenue Hotel gesessen und beschwingt den Weisen von Greensleeves, Lady of Spain, Barcarole und Rondo Capriccioso gelauscht hatten. Wenn überhaupt, war er noch sachlicher, barscher und knapper als sonst.
In einem Ton, als fordere er mich zum Duell, sagte er: »Sie sind frei, Miß Evans?«
»Ja, das bin ich.« Ich hatte überall in der Abteilung Anweisung hinterlassen, daß ich von elf bis eins eine Konferenz haben würde und unter gar keinen Umständen gestört zu werden wünschte.
»Gut«, sagte Kirkpatrick. Er schloß die Tür, legte die grüne Akte auf eine Ecke meines Schreibtisches und fuhr in dem gleichen, herausfordernden Ton fort: »Haben Sie weiter darüber nachgedacht, ob Sie Mrs. Snells Posten übernehmen wollen?«
»Ja, ich habe darüber nachgedacht, und ich muß gestehen, ich habe noch immer das Gefühl, nicht über genügend Erfahrung zu verfügen, um diese Verantwortung zu übernehmen.«
»Aber Sie lehnen unser Angebot nicht ab?«
»Nein.«
»Mit anderen Worten: Sie akzeptieren?«
Mir versagte die Stimme. Ich nickte nur.
»Gut«, erklärte er. »Und lassen Sie mich Ihnen versichern, Sie haben wirklich keinen Grund, überbescheiden zu sein. Es macht Ihnen vielleicht Mut, wenn ich Ihnen sage, daß ich mit Miß Ponsonby und Mr. Cavanaugh über den Brautsalon gesprochen habe, und beide stimmen voll mit Mr. Dietrich und mir
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