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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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auf die nackte Wand hinter mir gerichtet. Seine Augen verrieten nichts. Innerlich schien er unzählige Karten durch-zublättem, sie alle schnell zu überfliegen, bis er die richtige Karte gefunden hatte, die Karte, die ihm die passende Antwort gab. Plötzlich sagte er: »Ich sehe das ein. Ich stimme Ihnen zu. Wir werden nichts gegen Mrs. Hatfield unternehmen.«
    Ich seufzte auf. »Dankeschön.«
    »Jedoch«, fuhr er fort, »werde ich Miß Ponsonby bitten, Miß Banville zum Ende der Woche zu kündigen.«
    »Miß Banville!«
    »Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«
    »Sie ist eine unserer besten Beraterinnen! Sie können wir unmöglich ersetzen!«
    »Sie kommt ständig zu spät. Heute morgen wieder. Wir sind ganz einfach nicht entzückt von Miß Banville.«
    »Ich gebe zu, daß sie nicht sehr pünktlich ist. Aber in ihrer Arbeit ist sie hervorragend. Wenn ihr gekündigt wird, bedeutet es, daß ich nicht nur versuchen muß, mich in meiner neuen Stellung zurechtzufinden und eine stellvertretende Einkäuferin einzuarbeiten; ich muß außerdem noch die Zeit finden, eine neue Beraterin anzulernen. Meinen Sie nicht, daß das ein wenig unfair wäre?«
    Er stand auf, schob sich seinen grünen Ordner unter den Arm und ging zur Tür. Er bedachte mich mit einem nicht gerade freundlichen Lächeln. »Ich erkenne Ihre Loyalität gegenüber Ihren Mitarbeitern an, aber Sie werden von nun an eine schwere Verantwortung zu tragen haben. Ich bin nicht sicher, daß es klug von Ihnen ist, für Miß Banville zu Felde zu ziehen.«
    »Ich versichere Ihnen —«
    »Überlegen Sie es«, sagte er, zog die Tür auf und verschwand.

    Überlegen. Was sollte ich überlegen? Suzanne war eine meiner wenigen Freundinnen; sie leistete gute Arbeit; sie war für die Abteilung in vieler Weise ein Gewinn. Erwartete Kirkpatrick etwa von mir, daß ich in einer Stunde bei ihm ankam und sagte: »Ich habe es mir überlegt. Sie haben recht. Werfen Sie sie ‘raus?«
    Ein paar Minuten brütete ich vor mich hin, dann ging ich hinaus ins Foyer, um zu sehen, was sich dort während meiner Abwesenheit ereignet hatte. Alles war ruhig und in bester Ordnung: die künftigen Bräute warteten geduldig, die Beraterinnen trabten vergnügt hin und her, mit Brautkleidern oder Armen voller Brautjungfernkleider beladen. Ich ging zum Empfang, um einen Blick in das Anmeldebuch zu werfen, doch noch ehe ich es aufnehmen konnte, sagte Alice: »Oh, Miß Evans, ich bin so froh daß Sie herausgekommen sind. Könnte ich Sie bitte kurz sprechen?«
    »Ja?« Ich sah sie an. Ihr hübsches Gesicht war blaß und angespannt Ich fragte schnell: »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Doch, mir geht’s gut«, antwortete sie mit einem kleinen Aufseufzen. »Ich wollte Sie um etwas bitten.«
    »Was denn, Alice?«
    Sie blickte schüchtern zur Seite. »Miß Evans, ich muß heute zum Mittagessen in die Stadt. Und es ist so weit von hier. Und da dachte ich — könnte ich etwas länger fortbleiben und die Zeit morgen nachholen?«
    Sie war zwar ein kleines Mädchen, aber sehr gewissenhaft und immer hilfsbereit. Sie hatte etwas Gutes verdient. Ich gab ihr die erbetene Erlaubnis, sagte nur, sie möge nicht zu spät wiederkommen.
    »Danke schön, Miß Evans«, sagte sie aus tiefstem Herzen. »Vielen Dank.«
    Ich begann, mir die Vormerkliste anzusehen.
    »Haben Sie die Blumen gesehen, die für Miß Banville gekommen sind?« fragte Alice.
    »Blumen?«
    »Ein Riesenkarton — zwei Dutzend rote und zwei Dutzend gelbe Rosen. Sie könnte einen Laden damit aufmachen.«
    »Wer hat sie ihr denn geschickt?«
    »Das weiß ich nicht, Miß Evans.«
    Das mußte untersucht werden. Suzanne hatte, laut Alices Buch, im Augenblick keine Kundin, und ich eilte in den Aufenthaltsraum der Beraterinnen. Über das Fiasko am Abend vorher hatten wir bereits kurz gesprochen. Anscheinend war ein uralter Freund, ein gewisser Mr. Brill, aus heiterem Himmel aufgetaucht, und aus nicht ganz klar ersichtlichen Gründen konnte sie nicht umhin, mit ihm zum Abendessen zu gehen. »Es tut mir schrecklich leid, D’Arcy«, sagte sie, »aber so was passiert eben.« Natürlich. Das gehörte zu den Dingen, die jedem von uns jederzeit passieren können, und ich mußte das als ausreichende Erklärung hinnehmen. Sie wollte sich nicht einmal über Mr. Brill auslassen. Als ich fragte, wer das sei, zuckte sie nur mit den schlanken Schultern und preßte die Lippen zusammen, pikiert ob meiner Hartnäckigkeit.
    Jetzt saß sie da und sah reichlich verdattert aus. Die

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