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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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ebensogut gleich den Schwamm oder das Handtuch in den Ring werfen, oder was immer man dorthin zu werfen pflegte.
    Ich schloß meine Tür und setzte mich hin, um mich über die Papierstapel herzumachen; und gerade, als ich richtig gut im Gange war und die Arbeit mir mühelos von der Hand ging, flog die Tür auf und Suzanne stürzte herein, beinahe Schaum vorm Mund. Noch nie hatte ich sie so außer sich gesehen.
    Ohne Einleitung schrie sie: »D’Arcy, ich habe genug. Ich habe es bis hier!« Sie griff sich an die Kehle.
    »Was ist denn los?«
    »Diese Leute«, schrie sie. »Die sind ja nicht menschlich! Ich lasse mir das nicht gefallen!«
    »Welche Leute? Und wovon redest du?«
    »In Anprobe 5, D’Arcy. Ich gehe nicht wieder hinein. Schicke jemand anderen, der sich um die kümmert.«
    Sie war so aufgeregt, daß ich kein vernünftiges Wort von ihr erwarten konnte. Ich eilte hinaus in Anprobe 5 und fand, daß sie allen Grund hatte, sich aufzuregen. Die zukünftige Braut war eine blonde Göre von ungefähr siebzehn. Die dazugehörige Mutter eine knochige Rothaarige von Anfang dreißig. Beide waren knallhart und höchst ausfallend. Sie beschimpften mich, sie beschimpften Fellowes, sie schrien sich gegenseitig an; schließlich gelang es mir, sie davon zu überzeugen, daß sie in einem anderen Geschäft wesentlich besser aufgehoben sein würden, und sie schoben knurrend davon. Selbst wenn sie nicht aus der Unterwelt kommen, sind Bräute im Kindesalter fast immer eine Pest im Nacken.
    Suzanne war weder im Foyer noch im Aufenthaltsraum der Beraterinnen; doch ein Zettel auf meinem Schreibtisch erklärte ihre Abwesenheit bis zu einem gewissen Grade. Er war in Rotstift hingekritzelt: D’Arcy — ich bin zu Tisch gegangen — wenn Du mit mir essen willst, findest Du mich im Longchamps! S. B.
    Die Einladung paßte mir ganz und gar nicht. Ich war daran gewöhnt, um ein Uhr zu Mittag zu essen, — wie die Seelöwen im Zoo — und jetzt war es erst kurz vor zwölf. Andererseits ging ich selten zu Longchamps, weil es zu weit von Fellowes lag — hin und zurück je ungefähr eine Viertelstunde zu Fuß. Ich konnte einfach nicht so lange fortbleiben. Ich mußte mich durch den Papierberg auf meinem Schreibtisch wühlen, oder eine Anzahl Bräute würde nicht in den hübschen Kleidern, die sie sich bestellt hatten, zum Altar schreiten, und eine Anzahl Fabrikanten nebst Angestellten würden ein oder zwei Wochen außer Lohn und Brot sein.
    Ich hatte jedoch den Verdacht, daß meine erregbare französische Freundin ein geneigtes Ohr brauchte; sonst hätte sie sich kaum die Mühe gemacht, mir diese reichlich knappe Nachricht zu hinterlassen. Das war viel mehr als eine wütende Reaktion auf die nerventötende Kind-Braut und ihre Mama — normalerweise wurde sie mit solchen Leuten spielend fertig. Aber sie hatte gekündigt. Sie ging zurück nach Frankreich. Alles deutete darauf hin, daß sie recht niedergeschlagen war.
    Ich fand insofern einen Kompromiß, als ich wie eine Wilde bis ungefähr halb eins arbeitete; dann hastete ich davon, mich wie ein Aal durch den mittäglichen Fußgängerstrom der Fifth Avenue windend; zehn Minuten später kam ich im Longchamps an — ein neuer Streckenrekord. Suzanne saß an einem kleinen, roten Tisch für zwei Personen und nibbelte an einem spanischen Omelett. Ich kam atemlos bei ihr an.
    Sie maß mich mit einem kühlen Blick. »Ach, du bist’s.«
    »Hattest du jemand anders erwartet?«
    Sie kaute wohl zwanzigmal auf einem Bissen Omelett herum, ehe sie antwortete: »Du hast dir ja fein Zeit gelassen, bis du kamst, nicht?«
    »Zeit gelassen? Ich habe mich beinahe überschlagen, um herzukommen. Guck mich doch an, ich kann ja kaum japsen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich setze?«
    Sie wies mit der Gabel geringschätzig auf den anderen Stuhl. Ich setzte mich, behielt jedoch den Mantel an. Sie war höchst giftiger Laune, und ich wußte noch nicht, ob ich bleiben würde.
    Suzanne erfaßte das sofort und sagte: »Man darf in diesem Lokal den Mantel ausziehen.«
    »Ich möchte ihn lieber anbehalten.«
    »Wie du willst.«
    Sie aß mit entnervender Hingabe weiter, immer die gleichen, winzigen Bissen. Jede Gabel voll schien abgezirkelt genau so und so viel Millimeter und Milligramm von ihrem Omelett zu enthalten. Dies Gehabe mit anzusehen, machte mich fast wahnsinnig. Gott sei Dank erschien eine nette, kleine Serviererin, bei der ich Käsetoast und Kaffee bestellte.
    »Nun?« fragte ich dann, als das Mädchen gegangen

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