Lauter Bräute
war, »was fehlt dir?«
»Fehlen? Mir fehlt gar nichts.«
»Warum hast du mir dann einen Zettel hingelegt und mich gebeten, dich hier zu treffen?«
»D’Arcy, ich habe dich nicht gebeten, mich hier zu treffen. Ich teilte dir lediglich mit, daß ich hier sei für den Fall, daß du mit mir essen wolltest.«
Ich schob meinen Stuhl zurück und sah mich nach der netten, kleinen Kellnerin um.
»Was soll das?« fragte Suzanne.
»Ich möchte meine Bestellung streichen.«
Ihre grauen Augen schossen Blitze. »Warum?«
»Ich muß zurück ins Geschäft. Es wartet sehr viel Arbeit auf mich. Wenn ich damit heute nachmittag nicht fertig werde, muß ich morgen, an meinem freien Tag, kommen.«
»Du bist sehr dramatisch.«
»Eigentlich nicht.«
»Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Erzähl sie mir später, in meinem Büro.«
Sie lächelte unschuldig. »Das ist leider nicht möglich.«
»Oh, doch. Ich bin bis halb sechs da.«
»Aber ich habe nicht die Absicht, zu Fellowes zurückzukehren.«
»Ach?«
»Ich bin gegangen, D’Arcy, ab sofort.«
»Großartig. Herzlichen Dank.«
»Du scheinst wenig erfreut.«
»Oh, durchaus nicht.« Wieder blickte ich mich suchend nach der Bedienung um.
»Hör auf, dich so kindisch zu benehmen«, sagte Suzanne.
»Ach, tue ich das?«
»Ja, du hast aufgehört, menschlich zu denken. Du übernimmst Mrs. Snells Posten; du wirst Einkäuferin, und du denkst lediglich daran, welche Unbequemlichkeiten ich deiner kostbaren Abteilung dadurch zufüge, daß ich gehe. Stimmt’s?«
Ich blieb die Antwort schuldig.
Über den Tisch gebeugt sagte sie leidenschaftlich: »Aber ob es dir unbequem ist oder nicht, ich bin fertig mit allen diesen gräßlichen Leuten, mit all den widerlichen Bräuten und ihren Müttern und was sonst noch dranhängt. Zum Teufel mit ihnen. Ich habe die Nase gründlich voll. Ich würde nicht zurückkommen, und wenn man mir allen Tee Chinas dafür böte. Ich bin frei, D’Arcy, ich kann wieder atmen.«
»Freut mich für dich.«
Jetzt wieder ganz ruhig, sagte sie: »Vielleicht interessiert es dich, daß ich in drei Wochen heirate. Danach gehe ich auf vier Wochen Hochzeitsreise nach Honolulu.«
»Du heiratest?« rief ich. »Mein Gott, wie herrlich. Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das ist ja wunderbar, Suzanne.«
Meine Aufregung blieb ohne Echo. Sie war fern und gleichgültig. »Danke.«
»Aber zu Miß Ponsonby hast du gesagt, du gehst zurück nach Frankreich?«
Sie zuckte mit den Achseln: »Ich habe Miß Ponsonby das erstbeste gesagt, das mir einfiel. Es geht sie nichts an.«
» Witold muß überglücklich sein —«
»Worüber? Ich heirate nicht Witold. Das habe ich dir schon früher einmal gesagt: Witold ist kein Mann zum Heiraten.«
Sie ist verrückt geworden, dachte ich. Laut fragte ich: »Wer ist also der Glückliche?«
»Mr. Brill.«
»Mr. Brill?« Da tauchte der also wieder auf. »Woher stammt denn dieser Mr. Brill? Bis gestern hast du ihn nie erwähnt.«
Mit gelangweilter Stimme sagte sie: »Bevor ich zu Fellowes kam, habe ich in einem Modegeschäft in der 57. Straße gearbeitet. Mr. Brill war Mitinhaber des Geschäfts. Er hat sich immer für mich interessiert. Wir sind seit einigen Jahren gut befreundet.«
Mit gut befreundet konnte sie nur eines meinen. »Du willst also sagen, es hat ihn die ganze Zeit gegeben, und du hast ihn nie erwähnt?«
»Ja.«
Ich starrte sie verdutzt an. »Und wann hast du beschlossen, ihn zu heiraten?«
»Neulich abend, nach dieser blöden Sache mit Natalie Harris. Als du zum Abendessen kamst. Mir wurde plötzlich klar, daß ich nur mein Leben vergeude. Ich konnte so nicht weitermachen. Also rief ich Mr. Brill an, wir trafen uns im El Morocco und kamen zu unserem Entschluß.«
Die Kellnerin brachte meinen Kaffee und den Käsetoast, und ich kaute lustlos daran herum, voll beschäftigt mit dem, was meine Freundin mir erzählt hatte. Nur eines war mir klar: Ich wußte nichts von ihr; ihre Art zu denken ging weit über mein Vorstellungsvermögen hinaus, und sie war im Grunde genommen eine völlig Fremde. Ich hätte überströmend glücklich sein müssen vor Freude, daß sie heiratete; statt dessen war ich bestürzt. Sie liebte ihren Mr. Brill nicht, das zumindest wußte ich gewiß. Eine verliebte Suzanne wäre ein einziges Strahlen gewesen — selbst beim Mittagessen im Longchamps. Eine verliebte Suzanne wäre ein Anblick gewesen, den man nicht wieder vergißt, glücklich und übermütig. Sie strahlte nicht, sie war nicht
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