Lauter Bräute
hermelinumwallt stehe, einen Orchideenstrauß in der Hand.«
»Sie hat sehr viel Phantasie.«
»Und ob.« Mit einer energischen Bewegung drückte sie ihre Zigarette aus und stand auf. »Vielen Dank, daß Sie mich informiert haben über Lucy und meinen Vater, Miß Evans. Kann ich jetzt bitte anprobieren?«
Ich stand auf, blickte sie voll an. »Da ist nur noch eines.«
»Oh, ja?« Sie bemühte sich um einen gleichmütigen Ton, doch ich spürte, wie angespannt sie war.
»Ihr Vater hat ein neues Kleid für Sie ausgesucht, Er möchte, daß Sie es als Hochzeitsgeschenk annehmen.«
Ungläubig starrte sie mich an. Dann lachte sie auf, schüttelte sich buchstäblich vor Lachen, daß ihr die Tränen aus den Augen rannen. »Oh, wie wunderbar? Das Kleid, das ich ausgesucht hatte, gefiel ihm nicht, also suchte er ein neues aus! Ist das nicht prachtvoll?«
»Das Kleid ist bildschön. Bitte, sehen Sie es sich an.«
Ihr Gesicht verhärtete sich. »Ich will es nicht sehen. Ich habe nicht das leiseste Verlangen, es zu sehen. Das ist nur wieder eine Beleidigung, wieder ein Versuch, mich zu demütigen. Mein Vater ist unschlagbar darin, Beleidigungen auszudenken. — Wir haben jetzt wirklich genug Zeit vertan, Miß Evans, meinen Sie nicht? Bitte, zeigen Sie mir jetzt mein eigenes Kleid.«
Sie klang wie ihr Vater.
»Ich werde es holen.« Damit ging ich zur Tür.
Sie rief mir nach: »Warten Sie!«
Ich wartete.
»Nur aus Neugierde« — sie lachte leicht auf: »Wie ist dies Kleid? Das, welches mein Vater so freundlich für mich ausgesucht hat?«
»Es ist ein importiertes französisches Original — «
»Ja?«
»Wildseide mit bestickter Alençon-Spitze — «
»Ja?«
»Handgestickt —«
»Klingt schauderhaft«, sagte sie. »Ich will nichts mehr hören. Bitte, bringen Sie mein eigenes Kleid.«
Ich öffnete die Tür.
»Miß Evans?«
Ich wandte mich um.
Ihre Augen glitzerten belustigt. Sie sah jetzt lebhaft und anziehend aus, gar nicht mehr mausegraue Lehrerin. »Hoffentlich halten Sie mich nicht für eine Plage?«
»Natürlich nicht.«
»Dann zeigen Sie es mir. Das Hochzeitsgeschenk meines Vaters.« Sie lachte. »Ich möchte meinem Verlobten davon erzählen können.«
»Natürlich«, erwiderte ich und entschwand schleunigst, ehe sie ihre Meinung noch einmal ändern konnte.
In dem engen Flur lief ich in Vivienne Gordon hinein und fragte sie, was sie gerade tue.
»Ich bediene draußen eine Braut.«
»Bitten Sie eine der Beraterinnen, die Kundin zu übernehmen, und dann kommen Sie sofort in den Frischhalter. Dies ist ein Notfall.«
Sie warf mir einen überraschten Blick zu, nickte aber und eilte davon.
Dann trieb ich Mrs. Docherty, eine unserer beiden Absteckerinnen, auf und wies sie an, im Zimmer der Beraterinnen zu bleiben, bis ich sie rufen würde — sie sollte unter keinen Umständen bei einer anderen Anprobe anfangen, bis sie von mir gehört hatte. Als nächstes holte ich mir unsere Lageristin, Estelle, und sobald Vivienne Gordon wieder auftauchte, transportierten wir Mr. O. B. Browns Hochzeitsgeschenk aus dem Frischhalter in die große Anprobe. Es schien wirklich zehn Zentner zu wiegen. Miß Gordon fragte mit zusammengebissenen Zähnen: »Für wen ist denn das? Für die Königin von Saba?«
Miß Brown sah interessiert zu, wie wir das Kleid auf einen Vorführständer hingen. Wir traten beiseite, damit sie es ungehindert begutachten konnte, und sie saß schweigend da, das kleine Kinn in die Hand gestützt. Darm stand sie auf, besah sich das Kleid aus der Nähe, ging einmal herum, inspizierte es von hinten. Ohne erkennbare Gemütsbewegung sagte sie dann: »Nun, nun, nun.«
»Es ist wunderschön, nicht wahr?« fragte ich.
»Oh, es ist phantastisch. Das kostet sicher ein Vermögen. Ist eine Nachricht für mich dabei?«
»Tut mir leid, nein.«
»Keine Karte?« Sie lächelte. »Ganz mein Vater. Ich höre ihn direkt sagen: >O. K. Ich nehme es. Schicken Sie die Rechnung in mein Büro.< Stimmt’s?«
Sie kannte ihren Vater sehr gut. »Ich glaube wirklich, Ihr Vater wollte mit diesem Geschenk seine Zuneigung ausdrücken.«
Sie wandte den Kopf ab, damit ich die Tränen nicht sehen sollte. »Sie kennen meinen Vater nicht, sonst würden Sie das nicht sagen.« Sie ging zurück zu dem kleinen, grauen Sessel und sagte bitter: »Wissen Sie, was er im Grunde damit bedeuten wollte? Ein Schlag ins Gesicht sollte es sein. Er wollte sagen: Kann dein zukünftiger Mann dir so etwas bieten?« Sie hatte rote Flecken auf den
Weitere Kostenlose Bücher