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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Herrn?« fragte Mrs. Docherty. »Ja.« Mrs. Docherty fuhr fort: »So eine nette, feine, junge Dame. Es ist doch überall dasselbe.«
    Wir warteten und warteten. Schließlich sagte Mrs. Docherty: »Ich gehe wohl inzwischen besser in den Aufenthaltsraum. Meine Füße bringen mich um.« Sie watschelte davon, und ich stand und wartete weiter, bis die Tür sehr plötzlich mit einem scharfen Klicken geöffnet wurde und Helen Brown sagte: »Bitte, Miß Evans, kommen Sie herein.«
    Ich trat ein. Sie schloß die Tür mit einem heftigen, kleinen Knall hinter mir. Das 2500-Dollar-Gewand lag auf dem Fußboden. Über das Oberteil und die Vorderseite des Rockes zogen sich dicke, rote Zeichen, die aussahen wie Hieroglyphen. Ich wandte mich um und blickte sie entsetzt an. Ihre Augen flammten böse. Sie hatte einen Lippenstift in der Hand.
    »So!« sagte sie. »Sie können es ihm zurückschicken.«
    »Aber es ist ruiniert.«
    »Bitte, keine Debatte, Miß Evans. Schicken Sie es ihm zurück. Er wird es verstehen. Eine Beleidigung für die andere. Das ist seine Art, Geschäfte zu machen.«
    Ich ging und sah mir das Kleid aus der Nähe an. Die großen, roten Hieroglyphen waren leicht zu entziffern :
    Danke
    aber ich
    brauche es nicht
    Helen
    »Der Lippenstift ist wahrscheinlich farbecht?« fragte ich.
    »Natürlich.«
    »Es ist Ihnen klar, daß die Flecken nicht herausgehen?«
    »Das hoffe ich. Warum sollten sie beseitigt werden? Es ist sein Kleid. Jetzt kann er es nicht zurückgeben. Er hat es auf dem Hals.«
    Die Familienfehden der Browns waren nicht meine Angelegenheit. Ich ging wieder zu ihr und fragte: »Möchten Sie jetzt das andere Kleid anprobieren?«
    »Ja. Nur deshalb bin ich ja hier.«
    Sie setzte sich auf den kleinen Sessel und zündete eine Zigarette an. Mr. O. B. Brown wäre stolz auf sie gewesen, wenn er sie hätte sehen können; sie war zweifellos die Tochter ihres Vaters. Ich nahm das Kleid bei den Schultern, zerrte es in mein Büro und warf es über einen Stuhl.

    Ich konnte Helen Brown nicht noch einmal ertragen und bat Miß Greene, die Anprobe zu übernehmen. Dann ging ich Kirkpatrick suchen. Ein 2500-Dollar-Brautkleid, das irreparabel verdorben ist, stellt schließlich eine Last dar. So etwas behält man nicht als schwarzes Geheimnis bei sich, sondern man meldet es so bald wie möglich seinem Etagenchef, damit er die Bürde mitträgt. Ich hatte ihn Dienstagmorgen gewarnt, daß Miß Brown die edle Geste ihres Vaters womöglich nicht freudig aufnehmen würde. Und was hatte Kirkpatrick geantwortet? Keine Sorge, hatte er gesagt, damit werden wir uns beschäftigen, wenn es soweit ist. Wenn nötig, können Sie mich rufen. Nun, das tat ich jetzt, und zwar schleunigst.
    Aber er war nicht zur Verfügung. Seine Sekretärin erklärte: »Er hat eine Besprechung mit Mr. Dietrich. Ich weiß nicht, wann er zurück sein wird.«
    »Würden Sie ihm bitte sagen, daß ich ihn sprechen muß, bevor er heute abend geht?«
    »Ja, tue ich.«
    Vivienne Gordon fing mich ab, als ich durchs Foyer ging. Sie fragte lebhaft: »Was ist mit Miß Brown geworden? Ich komme fast um vor Neugierde. Hat sie das fabelhafte Kleid genommen?«
    Ich wollte nicht über das fabelhafte Kleid sprechen, bis ich die Sache mit Kirkpatrick erörtert hatte. Wir waren da auf die Ebene hoher Politik geraten, die weit über den Rahmen meiner Abteilung hinausging. »Ich erzähle es Ihnen alles später, wenn wir die Tagesabrechnung machen.«
    »Wann tun Sie das?«
    »Oh, um ungefähr zwanzig Minuten nach fünf.«
    »In Ihrem Büro?«
    »Ja.«
    »Ich werde dasein.« Sie lächelte. »Ich kann es kaum erwarten.«
    Ich hatte noch ungefähr vierzig Minuten, um mich in meinen Papierberg zu stürzen, marschierte in mein Büro und schloß fest die Tür, entschlossen, mich in dieser hart erkämpften Zeit durch nichts und niemanden stören zu lassen. Ich schob das 2500-Dollar-Kleid vom Stuhl in eine Ecke — doch es bauschte sich dank seiner Fülle weit über den Fußboden — und machte mich an die Arbeit.
    Sofort begann mein Telefon zu klingeln. Es war Mr. Giachino in Boston. Irgendwie hatte er von meiner Beförderung gehört und wollte mir gratulieren. Er sei in der nächsten Woche in New York, und ob ich mit ihm essen gehen würde, Mittwoch vielleicht? Ich dankte und erklärte, daß ich noch nicht ganz übersehen könne, wie die nächste Woche ablaufen würde, und ob er am Montag oder Dienstag noch einmal rückfragen würde?
    Fünf Minuten später läutete es wieder. Diesmal war

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