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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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hatten, und so sah es aus, dann würde er dafür sorgen, dass er sich irgendwo im Geschäft nützlich machte. Zuerst jedoch würde er genau herausfinden, aus was für einem Holz dieser Neffe geschnitzt war, und ihn ein wenig über die Freuden des Alkohols zu lehren, schien ihm ein hervorragender Anfang zu sein.

15
     
    In der Küche hatten Belindas Gedanken rein gar nichts mit Lustknaben zu tun. Sie fragte sich, warum sie jemals ihr Zuhause für diesen Bungalow in Essexford verlassen hatte, wo das Land so flach und das Leben unsäglich öde war, wo es anscheinend nur aufs Geld ankam und sämtliche Freunde von Albert Ganoven waren.
    Belinda hatte schon früher Anfälle von Heimweh gehabt, hatte sie jedoch überwunden, indem sie sich wieder und wieder gesagt hatte, dass sie alles besaß, was eine moderne Hausfrau sich nur wünschen konnte, und dass sie fürs ganze Leben abgesichert war. Sie hatte ihre Rolle vollendet gespielt, in letzter Zeit jedoch hatte sie allmählich eingesehen, dass es nicht mehr war als das: eine Rolle in einem langweiligen und in vieler Hinsicht geschmacklosen, um nicht zu sagen schäbigen Stück, das nichts mit dem Menschen zu tun hatte, der sie wirklich war. Sie war anders als ihre grässliche Schwägerin Vera Wiley, deren wahres Selbst, soweit sie denn eines hatte, ein Fantasiegebilde war, das sich von ihrem schrecklichen Lesestoff herleitete, verbunden mit widerwärtiger Sentimentalität und absoluter Dummheit.
    Und außerdem wurde Belinda klar, dass sie in ihrer Ehe – die sie mittlerweile bitter bereute – rein gar nichts zu sagen hatte. Und doch hütete sie sorgsam das schreckliche Arrangement, das ihr in Wirklichkeit gar nicht gefiel, zwang Albert, die Schuhe auszuziehen, wenn er ihr Vorzeigehaus betrat, und spielte ganz allgemein die Rolle einer Autokratin. Das ganze Drum und Dran dieser Ehe – die modernen Möbel und die kaum benutzten, aber sündhaft teuren Geräte – war für sie die einzige Möglichkeit, sich ein klein wenig Selbstachtung zu erhalten und gleichzeitig ihre wahren Gefühle vor Albert zu verheimlichen. Insgeheim sehnte sie sich danach, diesem Haus und den schrecklichen Freunden ihres Mannes zu entkommen und in ihr wahres Heim zurückzukehren, in jenes Haus, wo sie aufgewachsen war und wo sie aufrichtig geliebt und respektiert wurde.
    Als Belinda das Abendessen zubereitet hatte, ging sie ins Wohnzimmer hinüber. Wenn irgendetwas die düsteren Gedanken hätte bestätigen können, denen sie in der Küche nachgehangen war, so war es die Szene, die sich ihr darbot: Esmond Wiley lag ihr im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen. Nachdem er von seinem Onkel mit einem Dutzend verschiedener Whiskysorten und sicherheitshalber noch mit ein paar hochprozentigen Brandys traktiert worden war, hatte er sich übergeben, zuerst auf sein Hemd und seine Krawatte und dann auf den Teppich. Albert, der in Erwartung der Szene, die seine Frau unweigerlich machen würde, wenn sie hereinkam, ebenfalls klaftertief ins Glas geschaut hatte, hing zusammengesunken in seinem Sessel und kicherte angesichts des Unheils, das er angerichtet hatte, wie unsinnig vor sich hin.
    »Kannnix vertragen«, lallte er. »Hab ihm den Un … den Unnerschied zwisch … zwischen’nem guten Sssingle Malt un’ so gepanschtem Zeug un’ fr … franssösisch’m Brandy gesseigt. Un’ er hat’s nich’ vertragen. Er hat’s echt nich’ vertragen.«
    Wieder kicherte er und griff nach der Flasche, die neben seinem Sessel auf dem Boden stand. Doch Belinda kam ihm zuvor, die Flasche war ohnehin leer.
    »Du verdammter Idiot!«, fuhr sie ihn an, ehe sie die Hand ausstreckte, um Esmond den Puls zu fühlen. Besonders kräftig schien der nicht zu sein. Sie richtete sich auf und schüttelte Albert, der anscheinend eingeschlafen war. »Du bist wirklich ein verdammter Volltrottel. Ich rufe einen Krankenwagen.«
    Albert erwachte und glotzte sie benebelt an. »Wossu’n das? Ich brauch kein’ beschiss’nen Kran … Krank’nwag’n«, brachte er undeutlich hervor.
    Voller Abscheu sah Belinda ihn an. Albert war sehr viel betrunkener, als sie es seit langem erlebt hatte.
    »Diesmal bist du zu weit gegangen. Den armen Jungen bis zum Exitus abzufüllen, und ich meine Exitus oder jedenfalls kurz davor.« Sie hielt inne, um ihre Worte wirken zu lassen. »Er braucht einen Arzt – und zwar schnell. Wenn du mir nicht glaubst, dann fühl doch mal selber seinen Puls.«
    Albert schaffte es aufzustehen, doch er sackte prompt wieder auf die

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