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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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hatte Albert die Nacht zum Teil auf dem besudelten Teppich verbracht und sich später, als er entdeckte, dass er die Wohnzimmertür nicht aufbekam und dass die Hausschlüssel auf mysteriöse Weise aus seiner Tasche verschwunden waren, auf dem Dralonsofa herumgewälzt und sich in regelmäßigen Abständen einen großen Schluck von dem Chivas Regal genehmigt, den er neben sich vorgefunden hatte. Um vier Uhr morgens sehnte er sich verzweifelt nach seinem eigenen Bett und sogar noch mehr danach, seine Blase zu entleeren.
    »Belinda«, heulte er betrunken immer wieder, »Belinda, du Miststück, lass mich raus!«
    Am Ende, nachdem es ihm nicht gelang, die dreifach verglasten, kugelsicheren Fenster zu öffnen, schmiss er nicht eben zielsicher zwei Whiskyflaschen gegen die Scheiben, verfluchte Belinda viele, viele Male und schnitt sich zu allem Überfluss auch noch ziemlich schlimm in die Hand, als er im Schnapsschrank nach ein paar stabileren Scotchflaschen suchte. Als ihm schließlich aufging, dass er medizinischer Selbsthilfe bedurfte, wenn er nicht verbluten wollte, verband er sich die Hand mit seinem Taschentuch, so gut es eben ging.
    Albert litt noch immer unter seinem schmerzenden Kopf und seiner schmerzenden Hand, als es an der Tür klingelte, wenngleich er seine Qualen ein wenig gelindert hatte, indem er in den großen Farn gepinkelt hatte, den Belinda in der Ecke des Wohnzimmers hätschelte. Taumelnd kam er auf die Beine und schickte sich an aufzumachen, ehe ihm wieder einfiel, dass er eingeschlossen war und dass die Schlüssel weg waren. Blinzelnd starrte er auf den Bildschirm, auf dem Besucher üblicherweise zu sehen waren, doch das Gerät war dunkel und wollte nicht funktionieren. Nichtsdestotrotz hörte er Vera schreien: »Lasst mich rein, lasst mich rein!«
    Albert hätte sich denken sollen, dass sie auftauchen würde, um nachzusehen, ob ihr halbwüchsiges Kind der Liebe auch wohlauf war. In Anbetracht seines eigenen Katers war Albert sich verdammt sicher, dass Esmond noch unendlich viel schlimmer dran war. Lieber nicht aufmachen. Vera würde nicht den ganzen Tag dort draußen stehen. Sie würde weggehen und anrufen, und er würde nicht ans Telefon gehen. Eine halbe Stunde später tat sie genau das, und er tat genau das nicht. Stattdessen war er damit beschäftigt, die Wohnzimmertür einzutreten.
    Vera kam zu dem Schluss, dass ihr Bruder und ihr geliebter Sohn bestimmt im Gebrauchtwagengeschäft der Ponsons arbeiteten, und sie machte sich zu Fuß dorthin auf. Doch es war Sonntag, und das Geschäft war geschlossen. Unverrichteter Dinge trottete sie wieder zum Bungalow zurück, schlich zur Rückseite und versuchte es mit der Hintertür. Dann bemühte sie sich, durch die schwarz verglasten Fenster zu spähen. Das half ihr nicht weiter. Ans Küchenfenster zu hämmern ebenfalls nicht, da darauf lediglich eine Salve Schüsse folgte, von denen einige mit beängstigendem Ping! das dreifache Panzerglas trafen. In einem Zustand panischer Angst rutschte Vera an der Wand unter dem Fenster hinunter. Sie schrie doppelt so laut weiter, ohne eine Antwort zu erhalten, abgesehen vom Krachen weiterer Schüsse.
    Zum ersten Mal musste sie Horace recht geben. Er hatte gesagt, ihr Bruder sei ein Gangster und eines Tages würde er schon die Quittung dafür kriegen. So wie es sich anhörte, war dieser Tag gekommen. Nicht, dass es sie wirklich kümmerte, was mit Albert passierte. Was sie in Hysterie verfallen ließ, war die Tatsache, dass ihr geliebter Esmond mitten in dieser Wild-West-Schießerei sein musste. Sie hatte ja keine Ahnung, dass sie sich gar nicht hätte sorgen müssen.
    Im Haus selbst war Albert endlich auf eine Möglichkeit verfallen, in die Küche durchzubrechen, und hatte seinen 45er Colt Automatik in das Türschloss leergefeuert. Als er jedoch feststellte, dass auch die Hintertür abgeschlossen war, geriet er in Rage, und zwar so sehr, dass er wahllos herumzuballern begann; die Kugeln prallten von teuren Küchengeräten ab und durchschlugen dabei etliche Stielkasserollen aus Edelstahl in einem Schrank und den Kenwood-Mixer.
    Als sie diese neuerliche Schießerei hörte, wurde Vera schließlich aktiv. Etwas Schreckliches geschah in dem Bungalow, und ihr geliebter Esmond war dort drin. Sie hastete auf die Straße hinaus und rief per Handy die Polizei an.
    »Im Haus meines Bruders wird geschossen!«, kreischte sie.
    Die Polizei schien nur vage interessiert zu sein. »Tatsächlich? Und wer ist Ihr Bruder?«
    »Albert

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