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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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Whisky.
    Horace nahm seinen Drink mit in eine freie Ecke und überdachte seinen nächsten Schritt. Er würde radikal ausfallen müssen. Ins Ausland zu gehen war ganz offenkundig die Antwort: Vera kam gewiss nie auf die Idee, dass er das tun würde. Sie hatte zu große Angst vorm Fliegen, und bis zu diesem Augenblick war er selbst auch nicht allzu scharf darauf gewesen. Jetzt jedoch war er ein freier Mann, ein neuer Mensch, es kümmerte ihn nicht länger, wie er reiste, nur dass er so weit wie möglich von hier wegkam.
    Wegen ihrer Angst vor dem Fliegen waren die Wileys niemals ins Ausland gereist, und Horace wurde klar, dass es sein vordringlichstes Anliegen war, sich einen Pass zu besorgen. Jetzt, wo er darüber nachdachte, war er sich ganz und gar nicht sicher, wie man so etwas anstellte, doch er hatte das ungute Gefühl, dass man dabei jede Menge Formulare ausfüllen und Fotos von Ärzten oder Kollegen per Unterschrift beglaubigen lassen musste. Er meinte sich erinnern zu können, dass er einmal in seiner offiziellen Funktion das Passbild eines höchst dubios aussehenden Jenkins hatte abzeichnen müssen, als der Schalterbeamte seinen Junggesellenabschied in Amsterdam feiern wollte. Nun wäre es Horace aber nicht einmal möglich, den ersten Schritt zu tun und schnell das Passbild zu machen, da Samstag war und das Postamt, in dem sich der Foto-Automat befand, nachmittags geschlossen war.
    Eine Weile war Horace angesichts dieser frühen Beeinträchtigung seiner Pläne ziemlich geknickt, doch seine Miene hellte sich auf, als ihm unverhofft eine neue Idee kam. Er trank seinen Whisky aus, ging zur Bank, schloss die Tür auf und schaltete vor dem Eintreten die Alarmanlage aus. Als er drinnen war, schloss er die Tür wieder ab und öffnete den Safe, der die persönlichen Unterlagen etc. der Kunden enthielt. Es dauerte über eine Stunde, die verschiedenen Testamente, uralten Schuldscheine und zerschlissenen, verblichenen Liebesbriefe durchzugehen, die in den Schließfächern ruhten, doch schließlich fand er einen Pass mit einem Foto, das zumindest flüchtige Ähnlichkeit mit ihm hatte. Dass er einem Mann namens Ludwig Jansens gehörte, der vor siebzig Jahren in Jelgava das Licht der Welt erblickt hatte, war vielleicht nicht ganz ideal, doch der Tribut, den die Ereignisse der jüngsten Zeit von Horaces Äußerem gefordert hatten, stimmte ihn zuversichtlich, dass es bei schlechtem Licht vielleicht klappen würde.
    Als er fertig war und den Safe abgeschlossen hatte, schaltete er die Alarmanlage wieder ein, spazierte ein Stück die Straße hinauf und stieg in einen Bus zum Bahnhof an der East Road. Zwei Stunden später saß er glücklich und zufrieden unter seinem neuen falschen Namen in einem teuren Hotel in London. Von jetzt an würde er es sich sehr gut gehen lassen, und außerdem war dies der letzte Ort, wo Vera nach ihm suchen würde.
    Noch am selben Abend genoss Horace ein ausgezeichnetes Dinner und betrank sich nach allen Regeln der Kunst, um seine Freiheit zu feiern.
    Am nächsten Morgen frühstückte er auf dem Zimmer und versuchte sich zu überlegen, wie er aus Großbritannien fliehen könnte, ohne einen Hinweis auf sein letztendliches Ziel zu geben. Dieses Ziel würde in Europa sein müssen. Er besaß jetzt einen Pass, doch dieser könnte registriert werden, wenn er versuchte, in ein Land wie Amerika einzureisen, und dann könnte man seinen Aufenthaltsort ermitteln. War er erst einmal innerhalb der EU, so wäre er in Sicherheit. Grenzübertritte zwischen Italien und Frankreich oder, was das betraf, nach Deutschland wurden nicht dokumentiert.
    Horace war sich noch immer nicht sicher, wo er sich vor dieser fürchterlichen Frau verstecken würde, die er so hirnlos geehelicht hatte. Und vor diesem Sohn, den er offensichtlich gezeugt und dessen spiegelbildartige Ähnlichkeit ihn in den Alkohol und beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Erst als er hinunterging, um seine Rechnung zu bezahlen, inspirierte ihn ein Artikel in einer Zeitung, die auf einem Beistelltisch lag. Darin wurde erwähnt, dass Lettland zur Europäischen Union gehörte. Es war vorherbestimmt. Warum in aller Welt hatte Ludwigs Pass ihn nicht gleich an Lettland denken lassen? Es war perfekt. Von dort aus konnte er nach Polen fahren, und dann nach Deutschland oder irgendwo anders hin, ohne eine Fährte zu hinterlassen.
    Horace bezahlte seine Hotelrechnung in bar und ging in ein Reisebüro, wo er erklärte, er hätte eine unüberwindbare Abneigung gegen

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