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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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Knie – mitten in die Lache aus Esmonds Erbrochenem. Fluchend packte er den Arm des Jungen.
    »Ich kann sein’ Puls nich’ finden«, winselte er. »Er hat kein’.«
    Einen Augenblick lang erwog Belinda, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Neffe natürlich keinen Puls hätte, wenn Albert oberhalb des Ellenbogens danach suchte, doch sie überlegte es sich anders. Wenn sie das besoffene Schwein in dem Glauben ließ, er habe seinen Neffen getötet, dann wäre er ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Bei dem Gedanken, was Vera tun würde, wenn sie erfuhr, dass Albert ihren einzigen Sohn ums Leben gebracht hatte, würde ihm himmelangst werden.
    »Das habe ich doch gesagt. Ich habe gesagt, du hast ihn dazu gebracht, dass er sich zu Tode trinkt. Was willst du jetzt machen? Vera wird dir bei lebendigem Leibe die Haut abziehen. Und zwar ganz langsam.«
    Albert stöhnte auf und übergab sich seinerseits. Was Veras Reaktion betraf, war er ganz Belindas Meinung. Nicht auszudenken.
    Mittlerweile dachte Belinda scharf nach. Ihr kam ein hervorragender Gedanke. Der krönende Abschluss ihres stummen Selbstgesprächs in der Küche.
    »Dann fahr du ihn eben ins Krankenhaus«, legte sie den Köder aus. »Du kannst denen ja erzählen, du hättest ihn am Straßenrand gefunden. So erfährt seine Mutter nicht, dass du ihn umgebracht hast.«
    Mit glasigen Augen starrte Albert zu ihr hoch. »Ich hab ihn nich’ umgebracht. Er hat sich zu Tode gesoffen. Is’ genau wie sein verdammter Vater. Un’ ich fah’ niemand nich’ nirgendwo hin«, lallte er mühsam. »Ich kann ja kaum aufsteh’n un’ schon gar nich’ fah’n. Ich bin doch himmelweit über’m Limit, binnich doch. Du wills’ doch nich’, dassich meine Pappe verlier’, oder? Du muss’ ihn fah’n. Komm schon, Belindaschatz, tu’s mirssuliebe.«
    Belinda lächelte. Er hatte den Köder geschluckt, auf einen Sitz. Der Idiot würde sehr viel mehr verlieren als nur seinen Führerschein, bevor diese Nacht zu Ende war. Sie ließ Albert inmitten seines und Esmonds hervorgewürgten Mageninhalts auf dem Teppich liegen und schleifte ihren Neffen durch die Küche in die Garage und zu Alberts Lieblingswagen, dem Aston Martin. Nach einer kurzen Pause, um Atem zu schöpfen, wuchtete sie Vera Wileys Ein und Alles auf den Beifahrersitz, schnallte ihn an und klappte das Verdeck des Cabrios hoch.
    Einen Augenblick lang zögerte Belinda. Gab es noch irgendetwas, das sie mitnehmen musste? Nein, entschied sie, sie hatte alles, was sie brauchte – außer Geld.
    Sie ging zurück ins Haus, öffnete sachte die Wohnzimmertür und warf einen kurzen Blick auf Albert, der schnarchend auf dem Boden lag, ehe sie die Tür wieder zumachte und abschloss. Dann ging sie ins Schlafzimmer, zerrte eine Ecke des dicken Dralonteppichbodens in die Höhe und hob die Bodendiele hoch, unter der sich der Safe befand. Kurz darauf hatte sie die Zahlenkombination eingegeben und die 50 000 Pfund in gebrauchten Scheinen an sich genommen, die Albert dort versteckt hatte. Schließlich stellte sie einen neuen Code für das Digitalschloss ein, so dass es ihm unmöglich sein würde, den Safe zu öffnen.
    Wieder in der Küche, schaltete sie den Wasserkessel an, stellte einen Topf mit Milch auf den Herd und holte zwei Thermosflaschen hervor. In die eine kamen etliche Löffel Kaffee, in die andere Horlicks sowie eine kleine Schlaftablette. Letzteres war für Esmond, sollte er aus seinem betrunkenen Schlummer erwachen. Das schien zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber Belinda wollte kein Risiko eingehen.
    Als Belinda aus der Garage hinausfuhr, deutete nichts darauf hin, dass sie dem Bungalow – und Essex – für immer den Rücken kehren würde. Neben ihr war Esmond Wiley, nunmehr in Decken gehüllt, der Welt nach wie vor entrückt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde er die ganze Nacht schlafen und am nächsten Tag mit einem Riesenkater an einem Ort jenseits seiner kühnsten Träume erwachen.
    Und Albert ebenfalls. Belinda hatte eine offene Flasche Chivas Regal neben ihm auf den Boden gestellt; sie wusste, dass er höchstwahrscheinlich einen Schluck daraus nehmen würde, wenn er zu sich kam, als Wachmacher. Der Gedanke, wie er sich morgen früh fühlen würde, gefiel ihr. Zu grauenvoll, um es in Worte zu fassen.

16
     
    In seinem Hotelzimmer war Horace beschwipst und bester Laune. Er hatte das erfolgreiche Buchen seiner Überfahrt mit einem erstklassigen Dinner und mehr als einer Flasche Champagner gefeiert.

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