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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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merkte sich viele Namen und Daten. Sie war schon bald an der hinteren Mauer. Hier befanden sich vernachlässigte, überwachsene Gräber. Um diesen Teil des Friedhofs schien sich niemand mehr zu kümmern. Viele Steine waren umgestürzt und lagen flach auf den Gräbern. Die Mauer war verwittert, baufällig und zum Teil schon eingestürzt. Da sie direkt hinter der Kirche lag, sah man sie von der Straße aus nicht – vermutlich trieben die Kinder deswegen hier ihren Unfug und richteten Schaden an. Sie beugte sich über eine der Steinplatten. Die alte Inschrift war nicht mehr lesbar, aber als Tuppence den Stein seitlich anhob, entdeckte sie eine ungelenk eingemeißelte Schrift, die bereits zu verwittern begann.
    Sie beugte sich tiefer und verfolgte die Buchstaben mit dem Zeigefinger. Einzelne Worte konnte sie entziffern.
    Wer… ärgert… dieser geringsten einen… Mühlstein… Mühlstein… Und darunter stand ein Name.
     
    Hier liegt Lily Waters
     
    Tuppence holte tief Luft. – Sie spürte plötzlich hinter sich einen Schatten. Aber ehe sie sich umdrehen konnte, traf etwas ihren Hinterkopf. Sie stürzte nach vorn auf den Grabstein und verlor sich in Schmerz und Finsternis.

10
     
    » N a, Beresford«, sagte Generalmajor Sir Josiah Penn, K.M.G. C.B. D.S.O. (Knight of Order of St. Michael and St. George; Compagnion of Order of the Bath; Distinguished Service Order), mit dem Gewicht, das den vielen Buchstaben hinter seinem Namen zukam, »was halten Sie von all dem Gewäsch?«
    Tommy entnahm dieser Bemerkung, dass der Alte Josh, wie er hinter seinem Rücken überall genannt wurde, nicht sehr tief von den Konferenzen und den Vorträgen beeindruckt war, die sie gerade besucht hatten.
    »Vorsichtig, vorsichtig, und nur niemandem auf den Schwanz treten!«, fuhr Sir Josiah fort. »Es wird viel geredet und nichts gesagt. Ich weiß nicht, warum wir überhaupt gekommen sind. Das heißt, ich weiß es schon. Weil ich nichts zu tun habe. Wenn ich nicht zu diesen Tamtams ginge, müsste ich zu Hause bleiben. Und wissen Sie, was mir da passiert? Da werde ich herumkommandiert, Beresford. Von meiner Haushälterin und von meinem Gärtner. Er ist ein alter Schotte, der mich nicht mal an meine eigenen Pfirsiche ranläßt. Deswegen komme ich her, spiele mich groß auf und mache mir selbst vor, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und die Sicherheit meines Landes zu gewährleisten! Alles Blödsinn und Quatsch!
    Aber wieso kommen Sie? Sie sind ja noch verhältnismäßig jung. Wieso verplempern Sie hier Ihre Zeit? Es hört Ihnen doch keiner zu, selbst wenn Sie etwas Hörenswertes von sich geben.«
    Tommy grinste innerlich, weil er trotz seines Alters von Generalmajor Sir Josiah Penn noch als Jüngling betrachtet wurde. Er schüttelte den Kopf. Der General, rechnete Tommy nach, musste weit über achtzig sein. Er war fast taub und hatte schweres Asthma, ließ sich aber von niemandem zum Narren halten.
    »Wenn Sie nicht kämen, Sir, würde hier überhaupt nie etwas geschehen.«
    »Ich denke das auch gern«, sagte der General. »Ich bin eine zahnlose Bulldogge, aber bellen kann ich noch. Wie geht es Mrs Tommy? Ich habe Ihre Frau seit Ewigkeiten nicht gesehen.«
    Tommy berichtete, dass Tuppence gesund und sehr aktiv sei.
    »Das war sie immer. Hat mich an eine Libelle erinnert. Schoß dauernd herum und jagte hinter verrückten Ideen her, die sich dann als gar nicht so verrückt herausstellten. Prima Kerl! Kann diese ernsten Frauen von heute nicht leiden. Haben alle eine AUFGABE. Na, und erst die Mädchen…« Er schüttelte den Kopf. »Ach, früher, als ich jung war, waren sie ganz anders. Schön wie ein Bild. Und die hübschen Kleider! Eine Zeitlang trugen sie Glockenhüte. Erinnern Sie sich? Nein, da müssen Sie noch auf der Schule gewesen sein. Man musste erst unter den Hutrand gucken, ehe man das Mädchen sehen konnte. Das war aufregend; und das wussten sie genau! Wenn ich an… Warten Sie… sie war eine Verwandte von Ihnen, eine Tante, nicht wahr? – Ada. Ada Fanshawe…«
    »Tante Ada?«
    »Das schönste Mädchen, das ich je gekannt habe.«
    Tommy verbarg sein Erstaunen. Dass seine Tante Ada jemals als schön gegolten haben konnte, war nicht zu glauben. Aber der Alte Josh schwärmte weiter.
    »Ja, wie ein Bild! Und ein Wildfang! Lustig, voller Streiche. Ach, ich erinnere mich an unsere letzte Begegnung. Ich war ein kleiner Leutnant und war gerade nach Indien versetzt worden. Wir waren bei einem Mondschein-Picknick am Strand… Wir beide

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