Lauter reizende alte Damen
doch nicht annehmen…«
»Sicher. Ich tue es gern. Und Sie müssen sich ausruhen.«
»Ja, ich muss nämlich noch an meiner Predigt arbeiten. Sie sind wirklich sehr freundlich.« Er strahlte sie an und verschwand im Pfarrhaus.
Tuppence sah auf die Uhr und fuhr zu Miss Bligh. Die Haustür stand offen. Miss Bligh trug gerade eine Platte mit frisch gebackenen Hörnchen durch den Flur ins Wohnzimmer. »Oh, da sind Sie ja, Mrs Beresford. Ich freue mich so, dass Sie kommen. Der Tee ist gleich fertig. Das Wasser ist schon aufgesetzt. Hoffentlich haben Sie gut eingekauft?« Sie richtete den Blick auf den offenkundig leeren Beutel, der an Tuppences Arm hing.
»Ach, es hat nicht richtig geklappt«, sagte Tuppence. »Manchmal ist es eben so, dass man einfach nicht das bekommen kann, was man sich in den Kopf gesetzt hat. Aber mir macht es Spaß, neue Städte kennen zu lernen.«
Aus der Küche erklang schrilles Pfeifen. Miss Bligh stürzte davon, um den Tee aufzugießen, und riss dabei einen Stapel Briefe vom Dielentisch.
Tuppence bückte sich, sammelte sie auf und sah dabei, dass der oberste Brief an eine Mrs Yorke gerichtet war. Sie wohnte in einem Heim für ältere Damen in einem Ort in Cumberland.
Das verfolgt mich ja geradezu, dachte Tuppence. Als ob es nur noch Altersheime gäbe! Welch eine herrliche Aussicht für Tommy und mich!
Miss Bligh erschien mit der Teekanne. Die beiden Damen machten es sich bequem.
Miss Blighs Themen waren weniger blutrünstig als die von Mrs Copleigh, und ihr Hauptstreben galt mehr dem Ausfragen als dem Vermitteln von Informationen.
Tuppence murmelte etwas von vielen Jahren im Ausland, den Personalkalamitäten, denen man in England begegnete, und sprach ausführlich über einen verheirateten Sohn und eine verheiratete Tochter und deren Kinder. Dann steuerte sie das Gespräch vorsichtig auf Miss Blighs vielseitige Tätigkeit in Sutton Chancellor. Sie erfuhr vom Frauenring, den Pfadfindergruppen, der Conservative Ladys Union, von Vorträgen, griechischer Kunst, der Zubereitung von Marmelade, dem Arrangieren von Blumen, vom Zeichenklub, den Freunden der Archäologie, von der Sorge um den Gesundheitszustand des Vikars und von seiner Geistesabwesenheit. Ferner gab es noch Meinungsverschiedenheiten im Kirchenvorstand.
Tuppence lobte das Gebäck, bedankte sich vielmals und erhob sich. »Sie haben eine fabelhafte Energie, Miss Bligh«, sagte sie. »Wie Sie das nur alles schaffen! Ich muss gestehen, dass ich nach einer Einkaufstour das Bedürfnis nach einer Ruhepause habe. Eine halbe Stunde auf meinem Bett… auf einem sehr bequemen Bett, übrigens. Ich möchte Ihnen bestens für die Empfehlung an Mrs Copleigh danken.«
»Sie ist eine ordentliche Frau, wenn sie auch zu viel redet.«
»Ach, ich fand ihre Dorfgeschichten sehr hübsch.«
»Sie redet ständig über Dinge, von denen sie nichts weiß. Bleiben Sie noch länger?«
»Nein, ich muss morgen wieder heim. Leider habe ich kein passendes Haus finden können. Ich hatte mir dieses malerische Haus am Kanal in den Kopf gesetzt.«
»Oh, um Gottes willen! Das ist ja fast eine Ruine. Die Besitzer sind im Ausland. Wirklich ein Jammer!«
»Ich konnte nicht einmal erfahren, wem es gehört. Sie wissen es doch sicher? Sie kennen sich hier so gut aus.«
»Ach, um das Haus habe ich mich wenig gekümmert. Es hat zu oft den Besitzer gewechselt. – Man kommt nicht mehr mit. Die Perrys wohnen in der einen Hälfte, und die andere Hälfte verkommt immer mehr.«
Tuppence verabschiedete sich und fuhr zu Mrs Copleigh. Das Haus war ganz still und offenbar leer. Tuppence ging in ihr Zimmer, wusch sich, puderte sich die Nase und schlich auf Zehenspitzen wieder hinaus. Sie sah sich nach allen Seiten um, ließ den Wagen stehen, ging rasch um die nächste Ecke und fand einen Fußweg, der um das Dorf herumführte und beim Friedhof endete. Sie kletterte über das niedrige Mäuerchen. Im friedlichen Licht der Abendsonne begann sie, wie versprochen, mit der genauen Besichtigung der Grabsteine. Es war nichts als spontane Hilfsbereitschaft; der alte Vikar war ihr sympathisch, und es freute sie, ihm zu helfen und sein Gewissen zu entlasten. Sie hatte sich ein Notizbuch eingesteckt, um für ihn interessante Entdeckungen aufschreiben zu können. Die meisten Gräber in diesem Teil waren recht alt, aber wieder nicht alt genug, um interessante oder rührende Inschriften zu haben. Meistens handelte es sich um Gräber älterer Menschen. Dennoch ließ Tuppence sich Zeit und
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