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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sir?«
    »Ja.« Tommy sah auf die Uhr. »Na, jetzt müsste sie aber wirklich bald kommen.«
    »Ich halte das Hähnchen zurück«, sagte Albert.
    Tommy lachte. »Ja, gut. Halten Sie es am Schwanz fest. Wie geht’s sonst, Albert? Alles gesund?«
    »Wir glaubten, es wären Masern. Aber es waren keine. Nur ein Erdbeerausschlag.«
    »Fein.« Tommy pfiff vor sich hin. Er wusch und rasierte sich und ging dann ins Schlafzimmer. Es sah so unbewohnt aus wie alle Schlafzimmer, deren Bewohner länger abwesend sind. Alles war blitzblank und tadellos aufgeräumt, aber kalt und unfreundlich. Kein verstreuter Puder, kein Buch, das verkehrtherum aufgeklappt auf dem Tisch lag.
    »Sir.« Albert war unter der Tür aufgetaucht.
    »Ja?«
    »Das Hähnchen macht mir Sorgen.«
    Tommy sah auf die Uhr. »Oje, es ist schon zwanzig vor neun.«
    »Ja, Sir. Und das Hähnchen…«
    »Dann nehmen Sie das Biest aus dem Ofen. Wir teilen es uns. Geschieht Tuppence ganz recht. Von wegen, rechtzeitig zum Essen!«
    »Manche Menschen essen natürlich spät zu Abend«, sagte Albert. »Ich war einmal in Spanien. Vor zehn Uhr abends bekam man nichts zu essen. Schandbar, sage ich Ihnen!«
    »Hm«, machte Tommy geistesabwesend. »Haben Sie denn keine Ahnung, wo sie die ganze Zeit gesteckt hat?«
    »Mrs Beresford? Nein. Ich würde sagen, sie rast herum. Wenn ich mich nicht irre, wollte sie erst mit dem Zug fahren. Sie hat ständig im Kursbuch geblättert.«
    »Jedem Tierchen sein Pläsierchen«, sagte Tommy. »Ihres ist scheinbar die Eisenbahn. Trotzdem möchte ich wissen, wo sie ist.«
    »Sie hat doch gewusst, dass Sie heute wieder hier sind, Sir«, sagte Albert. »Dann wird sie auch kommen.«
    Tommy erkannte, dass er einen Verbündeten hatte. Albert missfiel es ebenso wie ihm, dass Tuppence über ihrer Eisenbahnbegeisterung die Rückkehr vergaß und nicht daran dachte, ihren heimkehrenden Gatten gebührend in Empfang zu nehmen.
    Albert zog sich in die Küche zurück, um das Hähnchen vor dem endgültigen Feuertod im Backofen zu retten. Tommy, der ihm hatte folgen wollen, blieb stehen und starrte auf die Kaminwand. Er trat langsam zu dem Bild, das dort hing. Seltsam, dass sie so sicher gewesen war, gerade dieses Haus schon gesehen zu haben. Er wusste, dass er es nicht kannte.
    Tommy stellte sich auf die Zehenspitzen. Er nahm das Bild von der Wand und trug es zur Lampe. Ja, ein ruhiges, schönes Haus. Der Maler hatte das Stück signiert. Der Name begann mit einem B, aber genau ließ er sich nicht entziffern. Bosworth – Bouchier? Er brauchte eine Lupe. Unten, in der Diele, erklang das muntere Geläut von Kuhglocken. Albert war von diesem Mitbringsel aus Grindelwald sehr entzückt gewesen. Er spielte virtuos auf dem kleinen Glockenspiel. – Also war das Essen serviert. Tommy begab sich ins Esszimmer. Merkwürdig, dachte er, dass Tuppence immer noch nicht aufgetaucht ist. Sie müsste wissen, dass ich mich aufrege. Natürlich regte er sich in Wirklichkeit gar nicht auf – nicht wegen Tuppence. Tuppence passierte nie etwas.
    Albert zerstörte diese innere Sicherheit. »Hoffentlich hat sie keinen Unfall gehabt«, sagte er. Er bot Tommy eine Schüssel mit Kohl an und schüttelte finster den Kopf.
    »Nehmen Sie das fort! Sie wissen doch, dass ich Kohl widerlich finde! Warum sollte sie einen Unfall gehabt haben? Es ist halb zehn.«
    »Diese Straßen sind die reinen Todesfallen«, sagte Albert. »Jeder kann verunglücken.«
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon. »Das ist sie«, sagte Albert. Er stellte die Kohlschüssel auf das Büfett und lief hinaus. Tommy ließ sein Hähnchen stehen und lief hinterher.
    »Ja, Sir? Ja, Mr Beresford ist im Haus. Einen Augenblick, Sir.« Albert wandte sich zu Tommy um. »Ein Dr. Murray möchte Sie sprechen.«
    »Dr. Murray?« Tommy dachte einen Moment nach. Der Name kam ihm bekannt vor. Wenn Tuppence verunglückt war, dann… Er seufzte erleichtert auf, als ihm einfiel, dass Dr. Murray die alten Damen im Haus Sonnenhügel behandelt hatte. Sicher ging es um irgendwelche Formalitäten wegen Tante Adas Tod. Er musste über sich selbst lachen. Es war typisch für diese Zeit, dass er sofort an ein Formular dachte, das er oder Dr. Murray hätte unterschreiben müssen, aber nicht unterschrieben hatte.
    »Beresford«, sagte er.
    »Oh, ich bin froh, dass ich Sie erreicht habe. Hoffentlich erinnern Sie sich an mich. Ich habe Miss Fanshawe behandelt.«
    »Ja, natürlich erinnere ich mich. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich würde sehr gern

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