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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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herauszufinden, die für uns wichtig sind.«
    »Wird Major Waters da sein? Der Mann, der dem Vikar wegen seiner Tochter geschrieben hat?«
    »Den scheint es nicht zu geben! In dem Grab, an dem der alte Grabstein gestanden hat, war ein Bleisarg, ein Kindersarg. Er war mit Gold und Juwelen gefüllt, die von einem Einbruch in der Nähe von St. Albans stammten.«
     
    »Oh, meine Liebe! Ich bin zutiefst bekümmert.« Der Vikar kam Tuppence mit ausgestreckten Armen entgegen. »Es hat mich so erschüttert, dass Ihnen das geschehen musste, wo Sie mir doch aus reiner Freundlichkeit geholfen haben. Ich war – ja, ich war schuldbewusst. Ich hätte Sie nicht allein nach Grabsteinen suchen lassen sollen. Aber wie konnten wir auch darauf kommen, dass junge Rowdys…«
    »Nun beruhigen Sie sich doch, Herr Vikar«, sagte Miss Bligh, die plötzlich neben ihm auftauchte. »Mrs Beresford weiß ganz bestimmt, dass Sie nichts dafür können. Und es war wirklich sehr freundlich, dass sie Ihnen helfen wollte, aber das ist nun doch alles vorbei. Und es geht ihr wieder gut, nicht wahr, Mrs Beresford?«
    »Ja, natürlich«, sagte Tuppence. Sie war ein wenig verärgert, dass Miss Bligh so sicher über ihr Wohlbefinden verfügte.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich. Ich schiebe Ihnen ein Kissen hinter den Rücken«, offerierte Miss Bligh.
    »Ich brauche kein Kissen«, sagte Tuppence und machte einen Bogen um den Stuhl, den Miss Bligh ihr anbot. Sie setzte sich auf einen hohen, sehr unbequemen Stuhl auf der anderen Seite des Kamins.
    An der Haustür wurde so energisch geklopft, dass alle Gäste zusammenfuhren. Miss Bligh eilte zur Tür. »Lassen Sie nur, Herr Vikar«, rief sie, »ich gehe schon.«
    Aus der Diele hörte man leises Stimmengemurmel, dann kam Miss Bligh zurück. Ihr folgten eine große Dame im Brokatkleid und ein sehr großer, knochiger Mann, der wie ein lebendiger Leichnam aussah. Tuppence starrte ihn an. Um die Schultern trug er einen schwarzen Umhang, und sein asketisches Gesicht schien aus einem anderen Jahrhundert, aus einem Gemälde von El Greco, zu stammen.
    »Ich freue mich sehr«, sagte der Vikar und drehte sich ihnen zu. »Darf ich bekannt machen, Sir Philip Starke, Mr und Mrs Beresford, Mr Ivor Smith. Oh, Mrs Boscowan! Wie viele Jahre ist es her, seit wir uns gesehen haben? – Mr und Mrs Beresford.«
    »Mr Beresford kenne ich schon«, sagte sie und musterte Tuppence. »Guten Tag, ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Ich habe gehört, dass Sie einen Unfall hatten.«
    »Ja, aber jetzt geht es mir wieder gut.«
    Tuppence war plötzlich sehr müde. Das geschah jetzt öfter als früher, vermutlich war es eine Folge der Gehirnerschütterung. Sie saß ganz still, hielt die Augen halb geschlossen und beobachtete dennoch alle Anwesenden sehr aufmerksam. Sie achtete nicht auf das Gespräch, sondern sah sich nur um. Es kam ihr vor, als seien sie alle Akteure eines Dramas, die eine bestimmte Szene probten. Langsam ging es einem Höhepunkt entgegen. Durch die Ankunft von Sir Philip Starke und Mrs Boscowan waren zwei bisher unbekannte Hauptdarsteller hinzugekommen. Sie waren auch vorher da gewesen, aber im Hintergrund. Und nun standen sie plötzlich im Mittelpunkt. Sie waren an diesem Abend gekommen – warum? Hatte man sie herbeordert? Ivor Smith? Hatte er ihr Kommen verlangt oder sie nur höflich darum gebeten?
    Es hat am Sonnenhügel angefangen, dachte Tuppence, aber das ist nicht der zentrale Punkt. Der war und ist hier in Sutton Chancellor. Hier ist alles geschehen. Nicht erst vor kurzem, nein, schon vor langer Zeit. Es sind Dinge, die nichts mit Mrs Lancaster zu tun haben – aber Mrs Lancaster ist darin verstrickt, ohne es zu wissen. Wo ist Mrs Lancaster jetzt? – Ein Schaudern überlief sie. – Ich glaube, sie ist tot.
    Tuppence ließ den Blick zu Sir Philip Starke wandern. Sie wusste nur das von ihm, was Mrs Copleigh in ihrem Monolog über die Bewohner des Ortes erzählt hatte. Ein stiller Gelehrter, Botaniker und Industrieller. Also ein reicher Mann – ein Mann, der Kinder sehr liebte. Und da war sie wieder bei den Kindern. Das Haus am Kanal, der Vogel im Kamin. Aus dem Kamin war eine Puppe gefallen. Eine Puppe, in der eine Handvoll Diamanten gewesen war – die Beute eines Verbrechens. Aber es hatte schwerere Verbrechen gegeben als Raub. Mrs Copleigh hatte gesagt: »Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass er es gewesen sein könnte.«
    Sir Philip Starke – ein Mörder? Mit halbgeschlossenen Augen betrachtete Tuppence ihn.

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