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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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eigene Sicht auf Zusammenhänge unbewußt mitzuteilen. Er konnte Glenn Morris nicht helfen. Und er wollte es auch nicht.
    »Sie haben es bemerkt«, fuhr Morris fort. »Und ich entnehme Ihrem Schweigen, Lieutenant, daß Sie meinen Ansichten mit Vorbehalten begegnen.«
    Philipp fiel auf, daß Morris ihn häufiger als üblich mit dem Dienstgrad anredete. Es mochte sein, daß dies unabsichtlich geschah, aber ebenso konnte es sich um den Versuch handeln, das Unterstellungsverhältnis zu betonen.
    Das Gesicht des Captains hatte sich ein wenig gerötet. Die Erinnerung an etwas, was tiefe Spuren in ihm hinterlassen haben mußte, schien in ihm aufzusteigen.
    Und dann begann er endlich zu erzählen, was ihn so berührt hatte, daß er es wohl sein Leben lang wie eine unerträgliche Last mit sich herumschleppen würde.
    Schon die Eröffnung seiner Geschichte war bezeichnend. »Der sechsundzwanzigste März«, sagte er. »Der sechsundzwanzigste März vor fünf Jahren.«
    An diesem Tag flogen sie den ersten größeren Angriff. Es ging eigentlich nicht um die Vernichtung von Menschenleben und schon gar nicht um die Eroberung von Land, Ziel war einzig und allein die Destabilisierung der bestehenden Verhältnisse.
    Sie starteten im Morgengrauen mit zwei kaschierten Maschinen, deren Funkanlagen ausgebaut worden waren, Lieutenant Sam Liker und Lieutenant Glenn Morris, gingen über dem Golf auf Dienstgipfelhöhe und flogen, sicher, daß nichts und niemand sie gefährden könnte, in Richtung auf die Yucatánstraße. Himmel und Meer waren so rein und gleichmäßig blau, und am Horizont flossen beide in einer Weise zusammen, daß man den Eindruck hatte, in einem wunderbar geschliffenen Aquamarin eingeschlossen zu sein. Sie waren wie zwei Fliegen in einem ungeheuer großen Raum aus blauen Träumen, und das Summen der Triebwerke erschien ihnen wie eine Hymne auf Mannesstolz und Kraft.
    Hin und wieder wechselten sie sich, einer stillen Übereinkunft folgend, in der Führung ab. Als die langsam fortschreitende, rotgepunktete Linie auf dem Screen des Kursrechners die stilisierte Küste von Quintana Roo in der Nähe des Cape Juárez berührte, führte Sam Liker. Seine Maschine schien stillzustehen, ein silbernes Kreuzchen im unendlichen Blau. Tief unten kam der bräunlich verwaschene Streifen der Küste in Sicht.
    Eigentlich war nicht das geringste geschehen, bevor sich Sam Likers Maschine in eine weiße Wolke verwandelte. Es war ein lautloser, grausig-schöner Vorgang, der sich durch nichts angekündigt hatte. Kein Geräusch war zu hören gewesen, und das Radar hatte nichts aufgezeichnet, was als ein wie immer auch gearteter Angriff zu interpretieren gewesen wäre. Die Maschine verwandelte sich von einem Moment auf den anderen in eine groteske Wolke. Das war alles, was da vor sich ging.
    Und während sich Morris der Wolke, die sich noch ein erhebliches Stück auf der Flugbahn von Sams Maschine weiterbewegte, näherte, begann sie sich zu verformen. Sie blähte sich auf, strahlendes Weiß auf azurnem Blau, und sie trieb blendende Fortsätze nach allen Richtungen. Glenn Morris spürte unvermittelt einen Schmerz in der Brust. Er dachte daran, daß einer dieser Fortsätze aus Sam Liker entstanden sein könnte. Die Wolke aber hing jetzt am Himmel wie ein riesiger, treibender Polyp mit sanft nach unten gebogenen Tentakeln, von deren Spitzen weiße Sterne hinunter auf das Meer fielen.
    Er riß seine Maschine in eine steile Kurve, um den Unglücksort zu umfliegen, und genau in dem Moment schoß seitlich aus dem wolkig aufgeblasenen Polypen ein winziger, silbriger Pfeil, der eine sich schnell ausbreitende, blendendweiße Kurve in das Blau des Himmels zeichnete. Aus irgendeinem Grund hatte eine von Sam Likers Raketen gezündet und jagte Steuer- und ziellos durch die endlose Weite über dem Golf. Einen Augenblick lang fürchtete Morris, sie könne sich seine Maschine als Ziel erküren, aber das Geschoß raste, der lenkenden Kraft beraubt, nach sinnlos gezogenen Kurven in die Wolke zurück.
    Was blieb, waren schwebende weißliche Strukturen, die peinlich an die im Wind verwehenden Wolken nach einem Prachtfeuerwerk erinnerten.
    Dann war Glenn Morris allein am endlosen blauen Himmel, die Reste aus Dampf und Glut waren hinter ihm zurückgeblieben. Er biß die Zähne zusammen. Sam Liker war einer von denen gewesen, die er gemocht hatte.
    Bald darauf zeigte der Schirm des Kursrechners die jenseitige Küste der Mosquito-Lagune. Da erst spürte Glenn Morris den

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