Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
Vom Netzwerk:
dahin vor den Azoren gelegen hatte, in die Floridastraße, was allerdings kaum vor Ablauf von vier Tagen möglich war.
    Wenn auch seine Ansprache im gewohnten Ton gehalten und mit den üblichen Begriffen wie Freiheit, Sicherheit und Überlebenswillen versehen war, so klangen die Anschuldigungen, die er erhob, doch ziemlich diffus, zumal sie sich nicht an eine genau definierte Adresse richteten. Auch daß er sich entschloß, den unvermeidlichen Marschbefehl ausgerechnet einer weitab vom eigentlichen Schauplatz operierenden Einheit wie der 6. Flotte zu erteilen, erschien halbherzig und hatte wohl keinen anderen Sinn, als wieder einmal den schon mehrfach bewährten Aktionismus zu beweisen.
    »Dieser Mann sieht immer nur die unmittelbare Oberfläche des Geschehens«, sagte Glenn Morris, als er das Gerät ausschaltete. »Von dem, was sich daraus ergeben wird, hat er keine Ahnung. Er sollte sich wenigstens bessere Psychologen zulegen.«
    Philipp schwieg. Er war nicht sicher, daß er dem Gedankengang des Captains zu folgen vermochte.
    Morris lehnte sich bequem zurück und begann sich zu kratzen. Offenbar dachte er intensiv nach. »Wenn sie diese verfluchten Indios wenigstens erwischt hätten, dann wäre alles anders«, fuhr er schließlich fort. »Daß sie auch noch entkommen konnten, wird im Volk einen Schock auslösen. Ich kenne die Gefühlswelt unserer Landsleute zur Genüge, mein Lieber. Solange sie sich einbilden, die Größten zu sein, befinden sie sich auf dem Gipfel ihres Selbstbewußtseins. Aber wehe, es gelingt jemandem, ihnen ein Bein zu stellen. Dann stürzen sie in ein mindestens ebenso tiefes Tal der Verzweiflung hinab. Dann lasten die eigenen Unzulänglichkeiten wie Berge auf ihren Schultern. O ja! Unser Volk ist sehr sensibel.
    Der Präsident hätte von Helden, Todesmut und heroischem Widerstand gegen schwerbewaffnete Mörderbanden sprechen müssen, vom Kampf gegen Wilde, denen das eigene Leben nichts bedeutet, weil sie außer dem nackten Leben selbst nichts zu verlieren haben. Vor allem aber hätte er Vergeltung der erlittenen Schmach in Aussicht stellen müssen, vielleicht wäre es ihm auf diese Weise gelungen, den Schock in Grenzen zu halten.«
    Philipp schwieg noch immer. Als Glenn Morris von den »verfluchten Indios« und von »schwerbewaffneten Mörderbanden« gesprochen hatte, da war etwas wie Hochachtung vor Leuten in ihm aufgestiegen, die es wagten, den aufgezwungenen Krieg in die Häuser des Verursachers zu tragen, ohne sich selbst zu schonen. Er sah wieder den kleinen, dunkelhaarigen Mann mit dem gehetzten Gesichtsausdruck vor sich, und er wußte, daß er gegenüber solchen Leuten nie Abneigung empfinden könnte. Vielleicht weil er sich ihnen verwandt fühlte. Der wütende Haß seines Vorgesetzten auf diejenigen, die man in diesem Land seit vielen Jahren in stiller Übereinkunft als »Indios« bezeichnete, machte ihn betroffen.
     
    An diesem Abend saß er mit Glenn Morris lange in der Kantine der Basis zusammen. Ohne es auszusprechen, warteten sie auf den Einsatzbefehl. Sie rechneten damit, daß sich das Pentagon früher oder später zu einem vernichtenden Vergeltungsschlag entschließen würde. Präsident und Verteidigungsminister waren es dem Volk schuldig.
    Philipp McBruns und Glenn Morris waren nicht die einzigen, die in der Kantine warteten, sich unterhielten oder vor sich hin in ein Glas mit Juice oder eine Tasse Kaffee starrten und schwiegen. An diesem Abend wurde kein Alkohol ausgeschenkt. Und der später so beliebte Ginol-Tonic war noch nicht erfunden.
    Gegen Mitternacht begann Glenn Morris zu erzählen. Zusammenhanglos anfangs, wahrscheinlich, um seinen angestauten Haß auf die Indios zu benennen und gleichzeitig vor sich und seinem Untergebenen zu motivieren. Er schien viel Wert auf Philipps Verständnis zu legen.
    »Sie müssen bemerkt haben, daß ich mich nur schwer beherrschen kann, wenn es sich um diese Leute handelt, Lieutenant«, begann er. Es schien, als forsche er in Phils Gesicht nach einer Reaktion, wohl, um sich auf dessen Ansichten einstellen zu können.
    Aber Philipp blieb auch jetzt stumm und blickte nach wie vor in sein Glas mit Juice. Er dachte nicht daran, sich über ein solch heikles Thema zu äußern, zumal er ahnte, daß der Captain sich anschickte, über Dinge zu sprechen, die ihn belasteten, die vielleicht sogar seine Psyche entscheidend mitgeprägt hatten.
    Philipp hatte nicht die Absicht, seinem Vorgesetzten auf ein Gebiet zu folgen, wo die Gefahr bestand, die

Weitere Kostenlose Bücher