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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Indio einen heiseren Laut aus und schob Glenn Morris den langen Abhang hinab. »Lauf!« rief er, und seine Stimme klang plötzlich sehr hell. »Lauf schneller, Gringo!«
    Seite an Seite hetzten sie in das Dorf hinein, an Menschen vorbei, die sie einen Moment lang anstarrten, ehe sie sich wieder ihren unterschiedlichen Tätigkeiten widmeten. Sie alle machten den Eindruck, als seien sie in großer Eile.
    Vage kam Morris der Gedanke, daß er sich in höchster Gefahr befand. Ein Stolpern, ein Sturz vielleicht gar, und sie flögen beide in die Luft, zerfetzt bis zur Unkenntlichkeit. Aber ihm blieb keine Wahl, der Indio trieb ihn vorwärts.
    Dann, fast schon in der Mitte des Dorfes, wußte er, was diese Menschen hier taten. Sie schickten sich an zu fliehen, und etwas wie Hoffnung stieg in ihm auf.
    Im Zentrum des Ortes stand ein sehr weißes, sehr neues, sechseckiges Gebäude mit einem schlanken, ziegelgedeckten Turm auf dem flachen Dach und mit großen Fenstern, wie er sie hier noch nicht gesehen hatte.
    »Hier, Commandante!« schrie der Indio und stieß ihn durch einen Vorhang in das Innere des Hauses.
    Drinnen war es still und dämmrig, und in der Mitte des Raumes, in den sie mehr stolperten als liefen, stand ein Mann in khakifarbener Uniform. Auch er war nicht allzu groß und hatte schwarzes Haar. Unter der Nase wuchs ihm ein martialisch anmutender, pechschwarzer Oberlippenbart, der rechts und links des schmalen Mundes bis auf das Kinn herabgezogen war und in seltsamem Widerspruch zu den zerfurchten Gesichtszügen stand. Der Mann war über seine Jugend längst hinaus, aber seine dunklen Augen wirkten äußerst lebhaft. Sie huschten hin und her, als wollten sie alles, was um ihn herum geschah, mit einemmal erfassen.
    Die beiden Indios sprachen laut und schnell aufeinander ein. Selbst wenn Glenn Morris der Landessprache mächtig gewesen wäre, er hätte von alldem nichts verstanden, die Sätze überschlugen sich fast. Wenn diese Leute sich unterhielten, dann klang das in seinen Ohren stets, als stritten sie sich.
    Dann hörte er mehrmals das Wort »Contras«, meist aus dem Mund des Commandante, und sein Herz begann heftiger zu schlagen, als das nach dem schnellen Lauf ohnehin schon der Fall war. Da war seine Chance. Er nahm sie zwar bisher nur undeutlich wahr, aber er wußte, daß er sie unter allen Umständen nutzen mußte. Es war die erste und vielleicht auch schon die letzte: die Contras, diese meist sehr gut ausgerüsteten Banden, die sich der Demokratisierung des Landes mit wütenden Angriffen widersetzten. Bei den Contras wäre er gut aufgehoben, man sah ihm auf eine Meile Entfernung an, daß er Amerikaner war, sie würden ihn behandeln wie ein rohes Ei. Niemand tut der Kuh etwas zuleide, die ihn mit Milch versorgt.
    Wenn sie, wie es den Anschein hatte, das Dorf überfallen würden, wäre er gerettet, vorausgesetzt, er wäre dann noch am Leben. Und dessen war er, wenn er in das Gesicht des jüngeren Indios blickte, keineswegs sicher.
    Eine große Ruhe überkam ihn. Er würde sich zu wehren wissen. Wenn nur dieser verdammte Strick…
    Weiter kamen seine Gedanken nicht, denn im selben Augenblick fiel der Strick, von einem schnellen Schnitt des Indiomessers durchtrennt.
    »Da!« sagte der Commandante und deutete in eine Ecke des Zimmers, wo ein einzelner Stuhl stand. »Setzen!«
    Aber dazu kam es nicht mehr.
    Vom nördlichen Dorfrand klangen das Rattern von Maschinenwaffen und die dumpfen Abschüsse von Werfern herüber, die dort offenbar in Stellung gebracht worden waren. Eine der ersten Granaten schlug in den Turm über ihnen und ließ Putz und Staub auf sie herabrieseln. »Hinlegen!« schrie der Commandante.
    Glenn Morris warf sich in der Ecke zu Boden und preßte das Gesicht auf die verschränkten Arme. Er spürte weiter Putz auf Nacken und Rücken fallen, hörte schnelle Schritte, die sich entfernten, Geschrei, Schüsse, Einschläge und Lärm. Und er lag und wartete, daß die Granate des Indios oder eine andere ihn zerrisse. Er war in einer schlimmen Lage, ausgeliefert wie ein Passagier in einem abstürzenden Flugzeug.
    Dann die Stimme, hell und schneidend: »Hey, Gringo!«
    Morris wandte sich halb um, sicher, dem Tod noch nie so nahe gewesen zu sein wie in diesem Moment, und er sah den Indio neben sich stehen, mit gespreizten Beinen, die Granate in der einen und den Laser in der anderen Hand. Das verschnürte Paket aus Fallschirmseide überragte ein wenig seine Schultern.
    »Nicht von hinten erschießen,

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