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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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»Sind Sie wahnsinnig geworden? Ich will die Daten nicht genannt haben, ich brauche sie in meinem Zielrechner. Geben Sie mir unverzüglich die Außenlinie. Wenn Sie wissen sollten, was das ist.«
    Du siehst Doras blasses Gesicht. Sie wußte von vornherein, daß ihr Trick nicht mehr einbringen würde als einen winzigen Aufschub.
    Und dann stellst du dir den Commander vor, diesen großen, eckigen Mann, den Overall über der Brust geöffnet, flammenden Zorn in den Augen. Er hat seinen Gegner gestellt, und nun beherrscht ihn nur noch der Drang zu vernichten. Es ist wie damals über den Kaffeeplantagen an der mittelamerikanischen Küste. Und er wird wie damals reagieren.
    Auf dem Display flammt der grüne Pfeil der Außenlinie, die Datenspeicher der Arrow sind mit dem Zielrechner der Odin verbunden, die Arrow ist das Auge, das die Hand mit der Waffe lenkt.
    Und Donald Morgan hat den winzigen Funken, der da querab von der blendenden Scheibe der Sonne steht, genau in das optische Visier gebracht. Jetzt!
    Da trifft euch der Schrei des Commanders: »Arrow eins! Kurs beibehalten! Sie liegen nur zwei Grad neben der Feuerlinie. Jede Abdrift ist zu vermeiden!« Dann scheint sich seine Stimme zu überschlagen: »Balmein! Feuer!«
     
    Ich spüre, wie mein Herz einen Moment lang aussetzt. Wir liegen nur zwei Grad neben der Feuerlinie. Zwei Grad, das ist fast nur ein Hauch. Und dieser Psychopath von Morris befiehlt Feuer. Eine winzige Abweichung hier oder dort, eine Unaufmerksamkeit, und von uns bleibt nicht mehr als eine Wolke aus Energie, die langsam im leeren Raum verweht. Zwei Grad!
    Doch plötzlich scheint mir das alles nicht mehr wichtig. Der Schuß der Odin wird den Krieg auslösen, und meine Welt wird in Rauch und Gestank vergehen. Innerhalb weniger Tage.
    Was also kann mir anderes geschehen, als daß ich, zusammen mit Dora und Donald Morgan, der Menschheit auf ihrem unvermeidlichen Weg in den Untergang vorauseile? Vielleicht um einen Tag, vielleicht sogar nur um Stunden. Wir drei, ein paar Stunden vor der übrigen Menschheit. Nicht der Rede wert!
    Doch möglicherweise werden einige wenige das erste Chaos sogar überleben. Durch den Schock geistig und von Strahlung, Hitze und Dreck körperlich deformiert, erstickend oder erfrierend unter der kalten Decke des atomaren Winters, Kretins, deren Nachkommen innerhalb weniger Generationen eingeschmolzen werden im Tiegel unbelebter Materie. Aber ist diese Vision weniger entsetzlich als die des sofortigen Todes? Nein, »danach« wird es nichts mehr geben, wofür sich der Kampf um das eigene Überleben lohnen könnte.
    Es ist aber auch eine Vision, die sich mit meinem Verständnis von Menschentum und Würde und Intelligenz nicht vereinbaren läßt. Muß man denn wirklich erst das medusenhafte Gesicht der Vernichtung aus nächster Nähe gesehen haben, um Rettung noch für möglich zu halten?
    Ich sehe das Aufblitzen des Schusses auf dem Heckschirm. Es ist ein kleiner, rötlicher Fleck vor dem Antlitz der Erde, nicht länger sichtbar als zwei oder drei Sekunden und doch unvorstellbare Energien von sich schleudernd.
    Die heranrasende Hitzewand trifft uns wie eine riesige unsichtbare Faust und schleudert uns in ein abgrundtiefes schwarzes Vakuum.
     
    Vor drei oder vier Jahren, den genauen Termin weiß ich nicht mehr, bin ich an einem wunderbar klaren Sonnentag an Bord einer kleinen Linienmaschine von Houston nach Miami geflogen. Ich hatte das zweite oder dritte Gespräch zur Aufnahme in die Space Force mit, wie ich meinte, Bravour hinter mich gebracht, lag nun dösend im weichen Sessel und ließ mich vom Summen der Triebwerke einschläfern.
    Da packte mich diese Faust zum erstenmal. Später, nach der Notlandung in Saint Petersburg, erfuhren wir, daß uns ein mit mindestens Mach 2 fliegender Jagdbomber um ein Haar gerammt hätte. Seine Bodenwanne und die Kanzel unserer Maschine müssen in einer Entfernung von nicht mehr als fünf Metern aneinander vorbeigegangen sein.

    Unsere Maschine wurde in das Vakuum hinter dem Jäger hineingerissen und wieder hinauskatapultiert mit einer so gewaltigen Beschleunigung, daß die Sitze zusammenbrachen und das Druckschott am Heck herausflog. Einer der Piloten war und blieb verschwunden, sein Körper war durch eine Öffnung im Kabinendach geschossen worden.
    Das alles klingt vorstellbar, aber die dabei in einem solch zerbrechlichen Organismus wie dem Menschen auftretenden physiologischen Veränderungen sind ungeheuer, wenn sie auch nur Bruchteile einer

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