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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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provozierend deutlich. Ein langgestreckter Zylinder mit weit ausladenden Sensorflächen, der ein wenig schräg im Raum hängt. Diese unkonventionelle Lage erhöht den Eindruck drohender Gefahr. Durch sie wirkt der Satellit wie ein sein Opfer beschleichendes, reißendes Tier, das den Anschein zu erwecken versucht, es interessiere sich nicht im mindesten für seine potentielle Beute.
    Plötzlich und ohne nachzudenken, bin ich sicher, daß dies nicht der Angreifer sein kann. Dieser kleine, auf keinem unserer Meßschirme ausgewiesene Satellit fungiert höchstens als das Stereoauge des eigentlichen Jägers.
    Dann erst setzt das rationale Denken ein, und ich bin entsetzt über die tiefen Spuren, die sich in den vergangenen Jahren in mein Unterbewußtsein gegraben haben. Da bin ich doch drauf und dran, diese irrsinnige Theorie zu akzeptieren, nach der zwei unterschiedliche Gesellschaftsordnungen nicht imstande sein sollen, in Frieden nebeneinander zu leben, da mache ich mir diese abgedroschenen Sprüche zu eigen, daß sich die Menschheit in Jäger und Gejagte, sprich: in Mörder und Opfer, unterteilt. Er oder ich, jeder entscheide sich, denn zwischen mehr ist nicht zu wählen!
    Entsetzlich, wenn man derartiges in sich entdeckt. Und schlimm, wenn es erst des Nachdenkens bedarf, um sich solch primitiven Denkstrukturen zu entziehen.
    Wieder einmal spüre ich, daß mich unkontrollierter Haß zu überschwemmen droht. »Den dort werden wir nicht so ohne weiteres wegpusten können«, sage ich. Die Worte sind mir unwillkürlich herausgerutscht, und selbst wenn ich mir jetzt die Zunge zerbeißen würde, ich könnte den Fehler nicht mehr ungeschehen machen.
    Nun, zumindest Glenn Morris scheint den hämischen Unterton nicht bemerkt zu haben. »Das werden wir noch sehen«, sagt er hinter mir, und ich spüre seinen stoßweisen Atem im Nacken.
    Seine Befehle kommen, als zitiere er aus der Dienstvorschrift: »Luk vier öffnen! Laser auf maximalen Fächer horizontal und vertikal! Vorbereitung auf maximale Energieemission über eine Sekunde Dauer! Direktsicht auf den Zielsucher!«
    Nein, so schnell gibt er nicht auf. Der Satellit existiert und nähert sich mit hoher Eigengeschwindigkeit. Das ist sicher, auch wenn ihn der Rechnerschirm nicht zeigt, und wenn es sich auch als unmöglich erwiesen hat, ihn mit der Automatik des Lasers anzumessen. Er ist da. Dort draußen im Dunkel des Kosmos. Also wird man ihn irgendwann kommen sehen. Und zwar durch das geöffnete Bullauge vier. Glenn Morris hofft auf die Zielkünste seines Laserleitoffiziers. Oder auf, einen Glückstreffer.
    Nur gibt es da zwei entscheidende Hindernisse: Der Satellit wird, wenn überhaupt, erst im letzten Moment für das bloße Auge sichtbar werden, vielleicht erst Sekunden vor dem Zusammenprall. Und auch das nur, wenn er, von der Odin aus gesehen, im Licht der Sonne laufen sollte. Das ist das eine. Doch selbst wenn wir ihn sichten sollten, wird es unmöglich sein, die Koordinaten schnell genug in den Rechner zu laden, um zu einem wirklich gezielten Schuß zu kommen. Es wird sein, als versuche ein Blinder, einen Hasen nach Gehör zu schießen. Oder nach Gefühl, denn er wird erst abdrücken können, wenn der Hase bereits seine Beine berührt. Selbst ein Schrotschuß würde zur Selbstverstümmelung führen.
    Vor dem Bullauge vier wandert der Horizont vorüber, eine dunkelblaue Linie, die mit den angedeuteten Farben des Regenbogens in samtige Schwärze übergeht. Lieutenant Dora Taylor dreht die Station in die Flugbahn des Unbekannten. Die Schwärze ist konturenlos und tot, ein unbeleuchteter Tunnel, in dem sich ein Tiger zum Sprung duckt.
    »Sag nicht, es sei Wahnsinn, Phil!« Die Stimme des Commanders ist ruhig wie eh und je, aber sein Atem geht schneller als sonst. Dieser Mann hat Nerven wie Schiffstaue. »Die oder wir«, fährt er wie im Selbstgespräch fort. »Und weil wir die Pflicht haben, der Welt zu demonstrieren, daß noch immer wir die Stärkeren sind, wirst du sie vernichten. Ist dir das klar geworden, Philipp McBruns?«
    Ich weiß nicht, was ich darauf entgegnen soll. Und frage mich, wie er wohl reagieren würde, wenn ich ihm sagte, daß ich die da drüben gut genug kenne, um zu wissen, daß sie niemals den ersten Schlag führen würden, daß dieser Satellit dort wahrscheinlich den Status Forschungsgerät weit eher verdient als die Odin. Ich glaube, er bekäme einen Tobsuchtsanfall.
    So sitze ich und starre in die Dunkelheit vor Bullauge vier, und ich habe keine

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