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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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die Minute um, die Spannung zusammengesunken zu dumpfem Brüten.
    »Ich will diesen Unsinn nicht gehört haben, Captain!« Ein letztes Aufbegehren. Und dann leiser: »Rotalarm aus! Minimales Emissionspotential! Anzüge ablegen! Sollen sie doch weiterfliegen, diese gottverd… Minimale Besetzung der Geräte.«
    Einen Moment lang herrscht in der Zentrale absolute Stille, die durch das leise Summen der tausendfach verzweigten Systeme hinter den Wänden eher unterstrichen als gemildert wird. Dann ein Aufatmen, etwas, womit ich nicht gerechnet habe, ich glaubte Enttäuschung erwarten zu müssen.
    Noch vermag ich nicht ganz zu glauben, daß ich gewonnen habe. Trotzdem spüre ich die Erleichterung wie einen Strom belebenden Sauerstoffs in mich eindringen.
    Ich blicke auf. Und sehe Dora Taylors Augen auf mich gerichtet. Dunkle Augen, aus denen ich etwas wie Erstaunen und eine deutliche Spur von Anerkennung lesen kann. Es tut gut, zu wissen, daß zumindest sie mich nicht für einen Kommunisten oder gar für einen Feigling hält.
     
    Am späten Abend nach Bordzeit, hoch über dem nächtlichen Atlantik auf der Breite der Azoren stehend, führen wir einen unserer routinemäßigen Tests durch. Wir versorgen einen unsere Bahn auf höherer Trajektorie kreuzenden Antimateriefänger mit neuer Ladeenergie. Das Manöver ist weit komplizierter als beispielsweise der Andockvorgang zweier autonomer Raumstationen, weil die Bahnparameter nicht übereinstimmen. Allein die Programmierung der Richtautomatik unseres Facettenlasers ist ein äußerst komplexes, mathematisches Vorhaben. Über eine Minute lang sticht schließlich der Lichtbalken über uns in den schwarzen Himmel, dem unsichtbaren Fänger folgend, als sei er an ihm befestigt. Nachdem die Emission verloschen ist, bricht in der Zentrale verhaltener Jubel aus. Neben dem Beweis hoher Zielsicherheit haben wir auch den unserer absolut friedlichen Mission erbracht.
     
     
Die Feuersäule
     
    Die Barrymores waren nach Iverton gezogen, einem kleinen Ort in der Nähe von Ballycastle, ganz im Norden der Insel. Vor allem, weil es in Iverton eine Brauerei gab, in der Pa Arbeit zu finden hoffte. Aber in Iverton gab es weder tariflich abgesicherte Arbeitsplätze noch Wohnungen, deren Mieten sie sich leisten konnten. So nahm Pa eine Stelle als Hilfskraft in der Brauerei an, ohne daß ihm ein Mindestlohn garantiert war, und die Unterkunft der Familie Barrymore bestand in jener Zeit aus einem nicht heizbaren Holzschuppen, dessen Rückwand sich an den Zaun des einzigen größeren Betriebes im Ort, der Brauerei, stützte.
    Immerhin war das Leben in Iverton wesentlich ruhiger als das in Calman’s Edge. Der Ort hatte seine erste wilde Zeit längst hinter sich. Das war damals, in den fünfziger Jahren, als das Schnapsbrennen durch die Zentralregierung in London untersagt worden war, um den Absatz der Betriebe des Mutterlandes zu sichern. Damals wurde nach allen Regeln der Kunst schwarzgebrannt und ebenso heftig geschmuggelt, obwohl die Gunslinger jeden, der einen Destillator besaß, einsperrten und jedes Boot beschossen, das ihre Anrufe nicht unverzüglich beantwortete. In Iverton sprach man von jener Zeit mit einem gewissen nostalgisch verbrämten Unterton, wie man etwa von einer verlorenen Geliebten spricht, mit der man heute nichts mehr anzufangen wüßte.
    Die zweite wilde Zeit hatte der Ort noch vor sich. Denn auch in Iverton regierten die Gunslinger, und auch dort gab es eine Bodenstation des Internationalen Energieprojektes, wie sich das Versorgungssystem der neuentwickelten Forschungssatelliten nannte.
    Wie Philipp seinen Vater kannte, würde der sich nicht allzu lange ruhig verhalten. Und Zündstoff lag auch in Iverton an allen Ecken. Was den Ort von Calman’s Edge unterschied, war, daß er eine Vergangenheit hatte, in der seine Bewohner schwelgen konnten, wenn sie sich in den Pubs trafen, und daß es deshalb noch niemand für erforderlich gehalten hatte, sich für eine ähnlich attraktive Gegenwart einzusetzen. Aber die Lunte brannte bereits, als die Barrymores nach Iverton kamen.
     
    In den Schulen von Iverton sang man morgens vor Beginn der ersten Stunde noch »God save the Queen«. Dazu mußte man aufstehen, die Hände an die Oberschenkel legen und den Blick auf den Union Jack richten, der an der Stirnwand des Klassenzimmers, direkt hinter dem Pult des Lehrers, hing. Wahrscheinlich glaubte die Zentralregierung an eine Bewußtseinsprägung durch ständige Wiederholung. Einen anderen

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