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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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beschäftige sich damit, im Gegenteil, dort erfolge allabendlich nur noch eine pauschale Angabe. Worauf sie sich vielmehr berufe, das seien Berichte von Nachbarn und Bekannten, Augenzeugenberichte also und leider eben auch eigene Erlebnisse. Woraus er entnehmen könne, daß selbst ein bisher so ruhiges und vornehmes Viertel wie die President-Gregson-Vorstadt nicht mehr verschont bleibe. Zweimal sei sie selber im letzten halben Jahr von Motorradgangstern beraubt worden. Man sei mit hoher Geschwindigkeit an ihr vorübergefahren, und dabei habe ihr der Sozius die Tasche aus der Hand gerissen. Gott sei Dank habe sich nie mehr in der Tasche befunden als einige wenige Cents und ein paar Schnupftücher.
    Sehr häufig, fügte sie, leiser nun, hinzu, handele es sich bei den Räubern um Schwarze oder zumindest Farbige, die seien eben wohl doch, nun zumindest anders als die Weißen.
    Dabei möge er bedenken, daß sie ja, und daran gäbe es wohl nichts mehr zu deuteln, immerhin schon eine ältere Frau sei, die zu berauben zwar leichter und mit weniger Gefahren verbunden, aber doch auch mit größeren moralischen Bedenken behaftet sein müsse, als wenn es sich um einen kräftigen jungen Mann handele, wobei das Ganze eine nicht unbeträchtliche sportliche Komponente enthalte. Mit denen gehe man im allgemeinen weit brutaler um. Deshalb sei es wichtig, ja, für ihn vielleicht sogar lebenswichtig, daß er sich diese Besonderheiten immer wieder ins Bewußtsein rufe.
    Vor allem die Sub solle er meiden. In den unterirdischen Stationen und im Tunnelsystem finde man häufig ausgeraubte Leichen, und zwar meist erst, wenn der Geruch auf sie aufmerksam mache. Auch Brücken und schmale Gassen, Plätze also, an denen einem anderen nicht leicht auszuweichen sei, bezeichnete sie als äußerst gefährliche Orte.
    Selbst wenn sie das alles ein wenig übertrieben dargestellt haben sollte, Philipp Manners beschloß, die Gefahr nicht herauszufordern. Zwar fühlte er sich kräftig und trainiert genug, solche Überfälle abzuwehren, doch nichts wäre ihm ungelegener gekommen als sein Auftauchen in den Polizeiakten, und wäre es auch nur als Zeuge gewesen.
    Er selbst geriet in seiner New-Yorker Zeit nur einmal in eine Situation, in der er überfallen zu werden befürchtete. Und auch diese Sorge hatte sich als gegenstandslos herausgestellt, die Begegnung war sogar, im nachhinein betrachtet, eher erheiternd als besorgniserregend gewesen, wiewohl sie ein bezeichnendes Licht auf die allgemeine Stimmung geworfen hatte.
    Der Vorfall, wenn man die Begegnung überhaupt als Vorfall bezeichnen wollte, hatte sich auf einer Brücke ereignet, die einen Nebenarm des Hudson am Rand der President-Gregson-Vorstadt überspannt. Es ist eine sehr schmale Brücke, mit nur je einer Fahrspur in beiden Richtungen und Gehwegen, die nicht viel breiter als einen Meter sind.
    Es war abends, die beginnende Dämmerung überzog mit einem matten, bleigrauen Schimmer das Wasser des Flüßchens, aus dem die dumpfen Gerüche und die Wärmeschwaden städtischer Abwässer emporstiegen. Der Verkehr auf der Brücke beschränkte sich in dieser Stunde milliardenschwerer Fernsehfamilien und der Dreiunddreißigcentreklamen auf wenige Fahrzeuge, die in großen Abständen über den dunklen Asphalt glitten.
    Er hatte eben etwa die Mitte der Brücke erreicht, als er einen Mann im Trenchcoat gewahrte, der ihm entgegenkam. Der Mann trug einen breitkrempigen Hut, sein Gesicht war in tiefen Schatten getaucht. Er hatte die Hände in die Taschen seines Mantels vergraben und ging ein wenig vornübergeneigt. Sein Mantelkragen war trotz der nicht eben kühlen Witterung aufgestellt. So war das Gesicht unter dem Hut kaum zu sehen, aber der fast gesichtslose dunkle Fleck unter dem hellen Hut deutete darauf hin, daß der Mann von schwarzer, zumindest aber farbiger Haut war.
    Die Situation und der Mann paßten genau in das Schema der Überfälle, wie sie Miß Lauderdale zu erzählen pflegte.
    Manners überlegte, ob er nicht lieber auf die andere Straßenseite hinüberwechseln sollte, um aus der Reichweite des Mannes zu gelangen. Er war sicher, daß er nicht von vorn angegriffen werden würde, Straßenräuber galten zu allen Zeiten als nicht besonders mutig. Der Mann würde also an ihm vorübergehen, wahrscheinlich sogar ohne aufzublicken, und dann würde er sich wohl blitzschnell umwenden, um hinterrücks anzugreifen.
    Als Manners bis zu dieser Überlegung gekommen war, begann er sich besser zu fühlen. Eine

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