Lautlos im Orbit (1988)
bekannte Gefahr, sagte er sich, ist nur noch halb so bedrohlich. Er würde sich zu wehren wissen. Der Dunkle sollte sich wundern.
Sie kamen sich, wenn nun auch langsamer, da sie beide ihre Schritte ein wenig verhielten, näher, und nur einmal hob der dunkle Mann den Kopf. Philipp Manners kopierte, halb unbewußt, halb weil sich seine Nerven und Muskeln in Erwartung des Angriffs spannten, die Haltung des Näherkommenden, er senkte den Kopf, schob die Hände in die Taschen und neigte sich eine Spur mehr als üblich nach vorn.
Der Fremde näherte sich noch drei oder vier Schritte, dann blickte er auf, verharrte auf der Stelle, offenbar unsicher, wie er sich verhalten sollte, und – wechselte hinüber auf die andere Straßenseite.
Ansonsten gab es in seinen New-Yorker Wochen nicht ein einziges Ereignis, das bemerkenswert genug gewesen wäre, den Pegel einer allgemeinen, diffusen Beklommenheit zu überragen. Unter diesem nicht näher zu beschreibenden, unangenehmen Gemütszustand allerdings litt Philipp Manners ständig. Stets hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden, wenn er auch heute nicht eine Begebenheit nennen könnte, die seinen Verdacht bestätigt hätte. Trotzdem war die Besorgnis allgegenwärtig, ein Mann, der ihm auf dem abendlichen Spaziergang folgte, die Begegnung mit dem Dunklen auf der Brücke, ein Telefonanruf, bei dem auf der anderen Seite nichts als ein leises Atmen zu hören war, Fahrzeuge, die in langsamer Fahrt durch die Villenstraße vor Miß Lauderdales Haus rollten, der Blick einer Frau, wenn er aufdringlicher war, als er es für passend hielt, das alles berührte ihn unangenehm, vielleicht nur, weil er seiner Tarnung mißtraute oder weil er diese Stadt nicht mochte.
Die Art, in der die Menschen hier miteinander umgingen, stieß ihn ab. So empfand er es als empörend, daß man, sobald man eins der besseren Geschäfte betrat, von hauseigenen Rausschmeißern flankiert wurde, die den potentiellen Kunden ungeniert auf seine Zahlungsfähigkeit taxierten, es ekelte ihn, wenn er bei seinen wenigen Spaziergängen gezwungen war, durch knöcheltiefen Unrat zu waten, weil die Müllabfuhr permanent überlastet war, und der Geruch von Hot Dogs oder in billigem Öl frittierten Pommes verdroß ihn ebenso wie die Billiglokale, meist Verkaufswagen, an oder in denen man im Stehen dünnen Automatenkaffee trank und dazu einen halbgaren Hamburger hinunterwürgte, der zu drei Vierteln aus Semmelmehl, Ketchup und welken Salatblättern bestand. Die auf Skates über die Gehwege rasenden Jugendlichen störten ihn, der Lärm und die Verrenkungen der allenthalben anzutreffenden Tanzgruppen und auch die kurzberockten Mädchen, die ihn, in Hauseingängen und an Straßenecken stehend, mit saugenden Blicken verfolgten.
Als die einzigen Lichtblicke jener Zeit empfand er die sich ab und zu versammelnden Gruppen, die für oder gegen etwas demonstrierten, meist junge, mit Schildern und Transparenten bewaffnete Leute, deren einfache und häufig sogar uniforme Kleidung auffiel. Aber auch diese Demonstrationen blieben nie ohne die üblichen rüden Töne, mehr als einmal konnte er beobachten, wie sich unter die durchaus friedlichen Jugendlichen andere mischten, deren militantes Gehabe den New-Yorker Sicherheitskräften die Vorwände zu brutalem Eingreifen lieferte.
Miß Lauderdale stand dem allem gleichermaßen ablehnend gegenüber, und sie pflegte ihn mit ihren diesbezüglichen Tiraden zu überfallen, kaum daß er sein kleines Zimmer im Südwestturm ihrer Villa verließ.
Die alte Dame hatte sich ein erstaunlich übersichtliches Weltbild geschaffen. Jedes Ding und jeder Mensch hatte darin seinen exakt festgeschriebenen Platz, war unverrückbar und unveränderlich, die Zusammenhänge waren deutlich und unwandelbar, es gab hell und dunkel, gut und böse, oben und unten, nichts lag dazwischen, es existierten keine Übergänge und schon gar keine Umschichtungen.
Es war ein Reklameweltbild, die Abstraktion Tausender TV-Sendungen und Hunderter Zeitschriftenartikel, es war das amerikanische Abbild der Realität.
Aus diesem Weltverständnis, das sich durchaus nicht auf die lockenwicklerbewehrten Köpfe alter Damen beschränkte, resultierte letztlich das neue Sendungsbewußtsein von Millionen Amerikanern, das eines Tages folgerichtig und fast automatisch den Versuch nach sich ziehen mußte, das Böse in der Welt auszurotten, um den Glanz und die Reinheit der Schöpfung Gottes wiederherzustellen.
Nun, Glanz war Geschmacksache,
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