Lautlos im Orbit (1988)
gesandt hatten, dessen, wie sie sagte, bloße Anwesenheit schon ausreichen werde, dem Gesindel auf den Straßen zu denken zu geben. Ihre Freude hinderte sie indes nicht, einen gepfefferten Mietpreis für das kleine Zimmer im Südwestturm zu verlangen. Philipp akzeptierte trotzdem, erstens, weil der Raum über einen separaten Telefonanschluß verfügte, und zweitens, weil er die Existenz dieses Mister Manners ohnehin in Kürze zu beenden hoffte.
Die ersten Tage im neuen Heim brachte er damit zu, sich mit Hilfe des Telefons und eines ausgeliehenen Heimcomputers eine vorläufige Identität und, was ihm noch wichtiger war, den Nachweis einer überdurchschnittlichen Qualifikation auf dem Sektor Datenverarbeitung zu verschaffen.
Das war für einen Eingeweihten zwar keine allzu schwierige, in jedem Fall aber eine sehr zeitaufwendige Arbeit.
Zusammen mit dem Computer hatte er sich die für seine Zwecke wichtigste Hardware ausgeliehen, ein auf Festkörperspeichern, sogenannten Wordproms, niedergelegtes Wörterbuch, ein umfangreiches Werk, das über fünfundzwanzigtausend Buchstabenkombinationen verfügte, nämlich über alle im Amerikanischen gebräuchlichen Wörter.
Als das getan war, hätte er das Gerät eigentlich sich selbst überlassen können, denn für den Ablauf dieser ersten Etappe waren keinesfalls weniger als vierzehn Tage in Rechnung zu setzen. Doch gab es zwei Gründe, die ihn veranlaßten, seine Wege außer Haus auf das Notwendigste zu beschränken.
Da war einmal die hohe Wahrscheinlichkeit einer Anfrage durch die Postverwaltung. Denn immerhin blockierte er mit seinem Rechner eine Leitung über mehr als vierzehn Tage. Und wenn auch dieser Umstand an sich für die Post nicht von sonderlichem Interesse war, so doch sicherlich eine Antwort auf die Frage, ob der verschwenderische Kunde imstande war, die zweifellos sehr hohe Rechnung zu begleichen. Mehr konnte eigentlich nicht geschehen, zumindest von seiten der Post nicht, denn Blockade von Leitungen durch Computer war an der Tagesordnung und auch nicht verboten. In dieser Stadt litten mindestens hunderttausend, vorwiegend Jugendliche, unter dem sogenannten Computersyndrom, Menschen, die in jeder Minute ihrer freien Zeit, und davon hatten die meisten, beschäftigungslos wie sie waren, mehr als genug, Maschinenkommunikation oder Hacking betrieben, Hacking vor allem, das Eindringen in fremde Datenbanken mittels zufällig, häufiger jedoch mit Hilfe von Tricks geknackter Sperrkodes. Im Grunde genommen also genau das, womit auch er sich in jener Zeit beschäftigte.
Verantwortlich für diese seltsame Subkultur war ohne Zweifel die Arbeitslosigkeit in Verbindung mit der daraus resultierenden Minderung des Selbstwertgefühls der Betroffenen und das Auffüllen der zwangsläufig anfallenden Freizeit durch den Konsum flacher TV-Sendungen. Eine solche Situation mußte unentrinnbar in Isolation und Sprachlosigkeit führen. Kommunikation zwischen Menschen fand kaum noch statt. Was blieb, war Gewalttätigkeit, eine Art wortloser Ersatzkommunikation, oder eben das Gespräch mit der Maschine, den Wunsch im Hintergrund, wenigstens ein totes Gerät schrankenlos beherrschen zu können.
Das alles war längst Normalität geworden, war akzeptiert und abgehakt, Besseres konnte den etablierten Kreisen eigentlich nicht widerfahren, denn wer sich an die Maschinen verlor, büßte den Blick für menschliche, für soziale Belange ein. Beschäftigungslosigkeit produzierte also nicht, wie viele gehofft und manche befürchtet hatten, revolutionäre Tendenzen, sondern vor allem dumpfes Dahinbrüten und sinnlose Gewalt.
Nun, wollte er sich seinem Ziel nähern, so blieb ihm nichts anderes, als sich zumindest teilweise in diesem allgemeinen Trend zu bewegen. Aus ganz anderen Gründen allerdings, eigentlich aus genau gegenteiligen. Bei diesen Überlegungen wurde er sich des Grotesken seiner momentanen Situation erst richtig bewußt.
Immerhin durfte er sicher sein, daß seine Tätigkeit im weitverbreiteten Hacking unterging. Unangenehm oder gar gefährlich konnte nur die Neugier Miß Lauderdales werden, wenn die zu erwartende Anfrage der Post, zufällig oder weil er nicht daheim war, bei ihr landen sollte. Und Miß Lauderdale war sehr neugierig.
Der zweite Grund, weshalb er selten ausging, war die Unsicherheit auf den Straßen, ein Zustand, den seine Vermieterin in den düstersten Farben malte.
Täglich, so wußte sie zu berichten, höre man von Überfällen, nicht nur das Fernsehen
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