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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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ragenden Zacken der Wandung hindurchschiebe und auf den Commander zusteuere. »Captain McBruns meldet sich zur Stelle, Sir.«
    Morris fährt herum, pendelt zu weit nach links und richtet sich mit einem schnellen Schuß auf der Stabilisatordüse wieder auf. Ihm scheint es die Sprache verschlagen zu haben. Doch er fängt sich erwartungsgemäß schnell, das Beherrschen unvorhergesehener Situationen hat er gelernt. Trotzdem dokumentiert das Klirren der übersteuerten Lautsprechermembran den Grad seines Zorns.
    »McBruns, Sie? Was haben Sie hier zu schaffen, Sie verdammter Narr? Ihr Platz ist am Laser, Mann! Wir befinden uns in einer Gefahrenlage, und wir haben einen Havarieplan. Begeben Sie sich unverzüglich in den Kampfstand. Und rechnen Sie mit einem Disziplinarverfahren. Aber mit einem, das sich gewaschen hat. Hauen Sie schon ab, Captain, solange Sie das noch sind!«
    Dies ist keine Situation, in der ich mich verteidigen könnte, in der ich erklären könnte, daß mir die Rettung der Station und ihrer Besatzung wichtiger gewesen sei als ihre Verteidigungs- oder Angriffsbereitschaft.
    Da ist mir plötzlich, als träfen meine Gedanken auf eine imaginäre Wand, die aus nur einem Wort besteht. Zum erstenmal hat der Commander den Begriff »Kampfstand« verwendet. Unversehens, hervorgerufen durch eine Lage, die uns alle an den Rand des Todes führte, ist nun auch der verbale Schleier gefallen. Die Odin ist zu dem geworden, was sie schon immer war.
     
    Der Druckmelder am Außenschott fünf zeigt rot. Jemand muß sich in der Schleuse befinden, entweder auf dem Weg zum Havarieort oder zurück in die Geborgenheit der unbeschädigten Sektionen. Das bedeutet zu warten, bis die Schleuse belüftet, verlassen und erneut evakuiert ist.
    Dreißig Sekunden. Aus der Schleuse dringen keine Geräusche, die rote Anzeige glimmt nach wie vor, du wartest.
    Eine Minute. Stille hinter dem Schott, keine Pumpe surrt, keine Verriegelung schnappt, der Druckmelder glimmt, du wartest.
    Du wartest, bis sich, nach neunzig Sekunden, der Gedanke in dir zu formen beginnt, daß abermals etwas Unvorhersehbares geschehen sein muß, in deiner unmittelbaren Nähe diesmal, dort, hinter jenem Schott. Da betätigst du, eigentlich ohne dir darüber Rechenschaft abzulegen, den Öffnungsmechanismus, registrierst mit einer gewissen Beruhigung, daß das Schott vor dir aufschwingt, und das Blut gefriert dir in den Adern. Von einem Moment auf den anderen hast du das Gefühl, tot zu sein, ein Eisblock, empfindungs- und gedankenlos. Vielleicht ist es diese absolute geistige Leere, was dich vor dem Schock bewahrt.
    Die Kammer, schwerelos und unter dem Einfluß des Vakuums stehend, ist angefüllt mit rötlichem Nebel, mit einer feinverteilten Wolke, von der du augenblicklich weißt, daß sie aus winzigen Blutpartikeln besteht, und ungefähr im Zentrum des kleinen Raumes schwebt etwas, was ehemals ein menschlicher Körper war.
    Da wendest du dich schaudernd ab, katapultierst dich zurück durch den Gang und gleich hinaus in die tödliche Leere des Alls, die dir weit angenehmer erscheint als diese mit Entsetzlichem angefüllte Schleusenkammer, und du erstattest mit einer Stimme, in der du das Zittern nicht zu unterdrücken vermagst, Meldung, den abermaligen Rüffel mit deinem Bericht im Keim erstickend. Das Gesicht des Commanders erblaßt hinter der Helmscheibe infolge der bloßen Schilderung.
    »Bergerson«, murmelt Glenn Morris schließlich. »Es muß Bergerson sein. Weshalb hat er das nur getan?«
    »Es ist nicht Bergerson«, sagst du, während die Kälte langsam aus dir hinauszufließen beginnt. »Es ist…, es war eine…, es war eine Frau, Commander.«
    Glenn Morris fragt nicht nach ihrem Namen, vielleicht hat er der Schilderung entnommen, daß mit einer Identifikation allein nach dem Äußeren dessen, was da geblieben ist, kaum gerechnet werden kann, vielleicht interessiert ihn die Identität der Toten in diesem Moment auch nicht, es ist ein Verlust, mag er sich sagen, schlimm genug, doch der Verlust des einen ist nicht weniger zu bedauern als der eines anderen.
    Jedenfalls wirkt seine plötzliche Gelassenheit irgendwie demonstrativ, vor allem, als er mich auffordert, die Räumung der Schleusenkammer zu veranlassen und mich danach unverzüglich an den Laser zu begeben.
    Dann aber stiehlt sich doch noch eine Spur menschlicher Wärme in seine Stimme. »Nimm den Weg über Schleuse drei, Phil«, sagt er. »Oder schließ wenigstens die Augen da drin.«
     
    Ich nehme seine

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