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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Weisung wörtlich. Während mich die einströmende Luft der Kammer drei umspült, informiere ich Doktor Warren über Funk, schildere ihm in möglichst dürren Worten die Lage, gebe den Befehl des Commanders weiter und blende mich aus, als Warren heftig zu fluchen beginnt.

    Später hocke ich in meinem Leitstand oder Kampfstand und muß daran denken, daß diese Unterscheidung nun doppelt sinnlos geworden ist, denn war sie schon bisher ausschließlich verbaler Natur, so sind jetzt beide Funktionen ausgefallen, ich habe mich endgültig davon überzeugen können, daß die Odin in ihrem derzeitigen Zustand nicht wehrhafter ist als ein Brocken toten Metalls.
     Nach einer halben Stunde, die mir so lang wie ein ganzer Tag erscheint, führen Newman und ein Pilot Doktor Warren durch die Zentrale. Sie haben ihn in die Mitte genommen und schieben sich, ihn rechts und links an den Armen haltend, mit sparsamen Bewegungen von Boden, Wänden und Geräten ab. Warrens Visier ist schmutzverschmiert, offenbar hat er sich in seinen Helm hinein erbrochen.
    Eben haben sie den Raum verlassen, als das Schott abermals fauchend zurückgleitet. In der Öffnung steht Dora. Ich spüre weder Verwunderung noch Freude, ich spüre überhaupt nichts. Ich benötige sogar, obwohl sie ihren grünen Spezialskaphander trägt, mehrere Sekunden, ehe ich ganz sicher bin, daß sie es wirklich ist.
    Sie steht seltsam verkrümmt in der Schwärze des unbeleuchteten Speichenganges, eine Hand an die rechte Lende gepreßt, als leide sie unter heftigen Schmerzen, die andere am Rahmen der Schleusentür. Ihre Füße schweben mehrere Zentimeter über dem Boden.
    Schließlich schiebt sie sich vom Rahmen des Schotts ab und schwebt an mir vorbei zum Navigationspult. Ihre Bewegungen wirken gehemmt, ähnlich denen in einem mit verzögerter Bildfolge ablaufenden Video. Sie blickt mich aus leeren dunklen Augen an. Unter der Stirnschale ihres Helms schimmert ein weißer Kopfverband hervor.
     
    An diesem Tag wechseln wir kein Wort und keinen Blick mehr. Dora sitzt reglos vor der Bedienungseinheit ihrer Navigationsanlage, zweifach abgeschirmt durch ihren Skaphander und die Konturenschale ihres Sessels, in der sie fast gänzlich versunken ist. Seltsam klein wirkt sie, irgendwie überhaupt nicht vorhanden. Ich möchte ihr sagen, wie froh ich bin, daß sie am Leben ist, aber wahrscheinlich würden meine Worte sie überhaupt nicht erreichen, wie sie so still und in sich verschlossen dort in ihrem Sessel sitzt. Außerdem, soll ich ihr etwa mitteilen, daß es einen Moment lang Wichtigeres für mich gab als sie?
    Um uns her geht das Leben weiter, ein anderes freilich jetzt als gestern oder vorgestern, hektischer und doch auch zielstrebiger. Der angeschlagene Organismus der Station versucht sich im Rahmen des Möglichen zu stabilisieren. Und mit jeder Minute, die vergeht, wird deutlicher, daß dieser Rahmen sehr eng ist.
    Sie haben die drei Teilstücke, in die Sektion vier zerborsten ist, herangeflogen, eine gigantische Arbeit, die zwar schwerelosen, aber doch mit erheblichen Massen behafteten Körper mittels Rückstoßtreibern in gerichtete Bewegung zu versetzen, zu steuern und wieder abzubremsen, eine Tätigkeit, die den fatalen Vergleich mit Ameisen provoziert, die große Raupen zu schleppen versuchen. Doch dann hat sich herausgestellt, daß dies alles umsonst war. Die Bruchstellen sind viel zu stark deformiert, als daß sie sich mit bordeigenen Mitteln wieder aneinanderpassen ließen. Mit einer Teilinstandsetzung ist also nicht auszukommen. Man wird die Sektion austauschen müssen.
    Und das bedeutet Schwerelosigkeit für mehrere Tage, vielleicht sogar für Wochen.
    Hin und wieder hallen laute, vibrierende Töne durch die Station, als schlüge irgendwo in ihrem Inneren eine große Glocke an. Der Reparaturtrupp ist dabei, die Reste der Sektion vier zu entfernen.
     
    Irgendwann an diesem Tag richtet sich Dora in ihrem Sessel ein wenig auf und betätigt eine Taste auf dem Pult. Eine Stimme füllt den Kampfstand, eine sonore, geschulte Stimme, die des Präsidenten, ausgestrahlt über alle Kanäle, gerichtet an alle Menschen der Erde.
    Der Präsident verurteilt den heimtückischen Überfall auf die Station mit Worten, aus denen bei aller Härte echte Empörung klingt, er beklagt die Toten und Verletzten, als habe dieses Unheil ihn persönlich betroffen, und versichert die trauernden Hinterbliebenen seiner tiefempfundenen Anteilnahme. Am Ende seiner Rede kündigt er Maßnahmen an, die

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