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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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unser Tod unserem Leben als würdig erweist.«
    Das alles klingt so grauenhaft und doch auch wieder irgendwie einleuchtend, daß ich beschließe, dem ein Ende zu setzen. Aber mehr als die Entgegnung, Skelton führe die Selbstregulationsmechanismen der Natur fälschlicherweise auf eine Art übergreifende Intelligenz zurück, fällt mir nicht ein.
    Und so antwortet er mir auch nur mit seinem kollernden, närrischen Lachen, ehe er in seinem vorgezogenen Nekrolog auf die Menschheit fortfährt: »Die Auslöser der menschlichen Intelligenz waren nicht nur mannigfaltig, sie waren auch durchweg rein zufälligen Ursprungs. Und die Struktur dieses Zufallsnetzes bestimmt die Art und Weise, in der sich die heutige Intelligenz des Menschen offenbart. Die erste, ernste Bedrohung des Menschen dürfte nicht von wilden Tieren ausgegangen sein, sondern von seiner eigenen Fruchtbarkeit, die den Hunger nach sich zog. Hunger aber tut nicht nur weh, er macht auch schlau und erfinderisch. Hätten sie nun etwas Vernünftiges gegen ihren Hunger erfunden, vielleicht wäre die Evolution ganz anders verlaufen. Sie aber taten das ihnen Gemäße, denn sie wollten ja nicht denken, sie wollten fressen. Also fraßen sie sich gegenseitig, die Stärkeren ernährten sich von den Schwächeren, Kannibalismus als einer der Auslöser der Menschwerdung, eine entsetzliche Konstellation, Sklaverei als Beginn der Arbeitsteilung und der Aneignung fremder Kraft und Werte, kaum besser als Kannibalismus.
    Später die Eiszeit, eine der größten Chancen des Menschen, die Kräfte seines Geistes zu vervielfachen. Doch was geschieht? Nun tötet man die Tiere nicht mehr nur, um sich zu ernähren, sondern auch noch, um sich mit ihren Fellen vor der Kälte zu schützen. Wie viele Arten sind ausgestorben, weil sich ihre Felle zu Mänteln, ihre Häute zu Schuhen verarbeiten ließen?
    Oder nimm die großen Krankheiten, die Pest beispielsweise, die Lepra, nimm, welche du willst. Bekämpfte man sie? Nein! Man bekämpfte die Kranken, isolierte sie, verbrannte sie gar, nutzte ihr Unglück zur Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls.
    Der Weg des Menschen ist mit Gewalt und Mord gepflastert, mein Lieber, und so wird an seinem Ende folgerichtig der milliardenfache Tod stehen.«
    Obwohl ich mir sage, daß Skelton das Gebäude von Ursachen und Wirkungen in der Evolution des Menschen auf den Kopf gestellt hat, berührt mich sein unvermuteter Ausbruch zutiefst.
    »Das darf nicht geschehen«, sage ich, und so vage es klingt, während ich es sage, weiß ich, daß es nicht geschehen wird. Ich werde es verhindern, ich habe noch zehn oder elf Tage zur Verfügung.
    »O doch, es wird!« sagt Skelton da. »Selbst wenn es dir gelänge, die Station zu sprengen, besser und gründlicher vielleicht, als Bergerson es vermochte, es wird auch dann geschehen. Einen Monat oder ein Jahr später vielleicht, aber es wird sich nicht abwenden lassen.«
    »Ein Jahr ist eine lange Zeit. Man könnte…«
    »O ja! Ein ganzes Jahr. In einem Jahr wird es eine Viertelmilliarde mehr Menschen geben als heute, eine Viertelmilliarde Tote mehr. Sollte man da nicht sagen: ›Lieber heute als morgen!‹?«
    »Du bist wirklich verrückt, Howard Skelton!«
    »Und du, Philipp McBruns, hast nicht die geringste Chance, das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast.«
    Ich schiebe mich von der Tür ab und bin nach einer einzigen gleitenden Bewegung neben ihm. »Was weißt du von mir, Skelton?«
    Vielleicht ist das die falscheste Reaktion. Vielleicht wußte Skelton bis eben überhaupt nichts, hat nur seine krankhafte Phantasie spielen lassen und damit zufällig in die Nähe der Wahrheit getroffen. Aber ich kann einfach nicht mehr, irgendwann muß dieses nervenaufreibende Versteckspiel ein Ende haben. Jetzt allerdings darf Skelton seiner Sache sicher sein. Vorausgesetzt, ihm ist ein Funke von Vernunft geblieben.
    »Ich weiß, was ich weiß«, murmelt er dümmlich. Und dabei bewegt sich seine Rechte mit ihren Spinnenfingern zielstrebig auf den kleinen Schalter zu, den ich für den Ernstfall präpariert habe, und abermals kommt ein Kichern tief aus seinem Innern. »Das ist er, nehme ich an. Nicht wahr? Das ist er doch?«
    Ein kleines, helles Blaffen ist hinter mir, es klingt, als klappe jemand ein dünnes Buch zu, das er in der Hand hält. Doch ich vermag mich jetzt nicht umzublicken, ich sehe nur den für Bruchteile einer Sekunde neben mir in der Luft hängenden Lichtfaden und das ekelhafte runde Loch, das sich an Skeltons

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