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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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wende mich ab. »Halt endlich den Mund, Mensch!« Als ich fast an der Tür angekommen bin, höre ich Skelton kichern. Es klingt ein wenig verrückt und ein wenig triumphierend. »Weißt du vielleicht, weshalb der Hilfstrupp erst jetzt eingetroffen ist, Phil?«
    »Ich bin nicht sicher. Der Commander meinte, daß die Bürokratie der Basis…«
    Wieder das Kichern mit dem leicht irren Anstrich. »Die Bürokratie? Daß ich nicht lache! Und du glaubst das, he? Nein, Phil, sie konnten nicht früher kommen, weil sie eine noch wichtigere Aufgabe hatten. Und weißt du, welche? Na? Die Orbitalfestung des Präsidenten! Sie haben den Führungsshuttle startklar gemacht, das ist es! Morgen oder übermorgen wird sich der Alte mit seinen Leuten auf die Umlaufbahn begeben. Und du quasselst von Bürokratie. Haben sie dir denn das Gehirn so gründlich verkleistert, Mann?«
    Ein neuerlicher Schauer rinnt mir wie ein Guß eisigen Wassers den Rücken hinunter.
    Der Start des Führungsshuttles würde in der Tat das letzte Zeichen setzen. Diese hochkomplexe, von Antennen überwucherte und mit Elektronik vollgestopfte Orbitalstation soll nach Ausbruch des Krieges als Führungszentrum dienen, von dem aus der Präsident, sein Vize oder dessen Stellvertreter die Enthauptungsschläge gegen den Feind anleiten und koordinieren werden. Die Rechner des »Weltuntergangs-Shuttles«, wie diese kreisende Festung im Jargon des Pentagons heißt, sind mit dem mehr als die halbe Erde bedeckenden Grundwellennetz verbunden, einer gegen Atomexplosionen gehärteten Fernmeldeverbindung, deren Impulse Tausende von automatischen Kernraketen starten werden, an deren verplombtem Steuerungssystem jeder Ablenkimpuls verpuffen würde. Der Führungshuttle ist wie eine Riesenspinne, die im Gewirr ihrer feingesponnenen Fäden hockt und über das entsetzlichste Gift verfügt, das menschlicher Verstand sich vorzustellen vermag.
    Wenn es je zum Einsatz kommen sollte, dann wird es die Erde zu Asche verbrennen und mehr als vier Milliarden Menschen auf grausige Weise in den Tod befördern. Und danach wird niemand mehr sein, der sie beweinen könnte. Denn die einzigen Überlebenden, wenn es sie geben sollte, werden keine Tränen haben. Und wenn sie Tränen hätten, sie wüßten nicht, wie man sie weint.
    »Ja, so ist das, lieber Philipp McBruns!« mischt sich Skelton in meine Gedanken. »Und es ist alles so folgerichtig, daß es in mir nichts als ein großes Staunen über die Exaktheit erweckt, mit der das Schicksal funktioniert. Weil wir nämlich Ungeziefer sind, mein Freund, Schädlinge. Der Mensch ist nichts als ein kleiner, nackter Schädling, der sich milliardenfach vermehrt hat und nun endlich ausgetilgt werden wird. Nicht von einem Gott oder höheren Wesen, daran zu glauben überlasse ich den Kindern und Greisen, nein, es ist ganz anders, viel überzeugender ist es. Ein Grundgesetz der Natur, daß sie sich zufällig entstandener Schädlinge auf die ihnen gemäße Art und Weise entledigt. Sie dich um, Phil! Alles, was je entstand, hat auch seine Gegner, die Maus den Falken, der Falke die Krähe und die Krähe den Jäger, überall ist es dasselbe, jeder ist Jäger und Gejagter in einem. Uns hat sie mit Kälte und Pest und Sauerstoffmangel in Grenzen zu halten versucht, aber es ist ihr nicht gelungen. Wir haben alle ihre Angriffe überstanden. Da hat sie sich wohl eingestehen müssen, daß der Mensch das boshafteste und gefährlichste Ungeziefer ist, das sie jemals hervorgebracht hat, und daß er nur durch sich selbst zu bekämpfen ist. Das ist folgerichtig, Phil, weil es natürlich ist.
    Das Ende des Menschen begann, als er zum Ungeziefer wurde, als er sich selbst erkannte. Die Selbsterkenntnis war vielleicht seine größte Leistung, doch nun wird sie zur Quelle seines größten Unheils werden. Denn durch sie ist er verdammt, sehenden Auges und fühlenden Leibes zugrunde zu gehen. Verglichen damit, hat die Natur den Sauriern einen gnädigen Tod gewährt, sie starben nach und nach, im Verlauf von Jahrtausenden, vor allem aber starben sie unwissend, Phil.
    Uns Menschen wird es dagegen entsetzlich ergehen, wir werden bei vollem Bewußtsein sterben, innerhalb weniger Stunden werden wir alle verfaulen oder verbrennen. Und die Natur wird unseren Tod nicht gnädig in Finsternis hüllen, nein, sie wird ihn im Gegenteil mit unserem eigenen Feuer in allen Einzelheiten ausleuchten. Damit wir noch im letzten Augenblick entsetzt erkennen müssen, was mit uns geschieht. Und damit sich

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