Lautlos im Orbit (1988)
Lieutenant, sollten ab heute Uniform tragen. Mit normalem Hemd und dunkler Krawatte. Nicht mit solchem Zeug auf der Haut wie unsere jungen Leute.«
Er wies mit dem Kinn auf die Ordonnanz, die eben wieder den Raum betrat. »Welchen Sinnspruch tragen Sie eigentlich heute spazieren, Shriver?«
Der Soldat nahm Haltung an, grinste unsicher und öffnete den Verschluß seines Overalls über der Brust. Unter der Uniform kam ein gelbes T-Shirt zum Vorschein, auf dem in leuchtendem Rot die Aufforderung prangte, einen Trip nach Mexiko zu unternehmen und einem Indio zur Begegnung mit seinem seligen Inka zu verhelfen.
»Ich vermute, daß du diese Reise tatsächlich irgendwann antreten wirst, mein Junge«, sagte der Captain, »und das vielleicht eher, als du denkst. Du solltest also schon heute anfangen zu beten, daß dir die Indios nicht früher den Arsch aufreißen, als du sie zu ihrem Inka schicken kannst.«
Das Grinsen im Gesicht des jungen Mannes wurde zur Grimasse. Man sah ihm unschwer an, daß ihm der Gedanke, die Verwirklichung seines T-Shirt-Spruches in absehbarer Zeit selbst in Angriff nehmen zu müssen, erhebliches Unbehagen verursachte.
Captain Morris registrierte es unbeeindruckt. Er wandte sich wieder an Phil: »Lassen Sie mich wissen, wo Sie untergekommen sind, Lieutenant. In etwa vierzehn Tagen werden Sie im Sessel eines der modernsten Geräte der Air Force sitzen. NASA-Technologie, Sie verstehen?« Er lächelte hintergründig. »Passen Sie in der Zwischenzeit auf sich auf, Lieutenant!«
Er hatte sich ein nicht allzu großes, dafür aber vollautomatisiertes Haus in Miamis Vorort Wilker’s Beach zugelegt, eins von der Art, die man bei Verleihfirmen bestellen und schon einen Tag später beziehen konnte, weil sie von Hubschraubern auf komplett vorbereitete Fundamente gesetzt wurden. Die ganze Angelegenheit war nicht einmal besonders teuer, denn Wilker’s Beach erfreute sich kaum noch nennenswerten Zuspruchs, seit mehrmals täglich der Donner startender Jets über den Ort rollte. So standen viele der mit allen Anschlüssen versehenen Fundamente leer, und die Verleihfirmen für Einfamilienhäuser waren gezwungen, erheblichen Rabatt zu gewähren, wenn sie die teuren Anlagen überhaupt nutzen wollten.
Aus diesen Umständen resultierte auch die besondere soziale Struktur dieses Ortsteils von Miami. Hier lebten zumeist Angestellte, Offiziere des nahe gelegenen Stützpunktes, kleine Kaufleute und vor allem Ruheständler, die von ihrem zurückgelegten Vermögen einen geruhsamen Lebensabend am Meer finanzierten. Es war die mittlere Schicht der Bevölkerung, die Reichen empfanden die Gegend als zu laut, und für die Armen war sie immer noch zu gut.
Philipp kostete die Tage der Untätigkeit aus, er ging viel im Meer schwimmen, aß meist in einem kleinen Kiosk am Ende der Straße, gönnte sich den seltenen Genuß ausgedehnter Lektüre oder wechselte ein paar Worte mit dem Verwalter der Häuser, der fast täglich mit einer Werkzeuglade in der Hand seinen Rundgang durch den Ort absolvierte. Phil mochte den Mann nicht sonderlich, weil er das Gefühl hatte, dessen Geschäftigkeit sei zu großen Teilen vorgetäuscht.
Gegen Ende dieser Tage, von denen sich einer so wenig von den anderen unterschied, daß sie kaum im Gedächtnis haftenbleiben konnten, begann Phil eine innere Unruhe zu spüren, die ihm nicht ganz unbekannt war. Anfangs führte er sie auf das unausgefüllte Leben zurück, das er nun seit einem Jahr zu führen gezwungen war, aber bald mußte er sich eingestehen, daß sie andere Ursachen hatte: Sein Ziel war in greifbare Nähe gerückt, und nun plagte ihn die Sorge, daß er kurz zuvor noch straucheln könnte.
In Gedanken ging er all die Schritte durch, die ihn hierher in die Nähe dessen geführt hatten, worauf er jahrelang hingearbeitet hatte, und war er bisher ziemlich sicher gewesen, keinen Fehler begangen zu haben, so stellte er nun bestürzt fest, daß er oftmals leichtfertig gehandelt hatte.
Mit dieser Erkenntnis vertiefte sich in ihm abermals das Gefühl, belauert zu werden. Zwar gab es auch diesmal keine konkreten Anhaltspunkte, aber sooft er sich auch sagte, daß er unter einer Art Manie litt, das Gefühl der Gefahr blieb.
Eines Abends saß er am Tresen der kleinen Bar am Südende von Wilker’s Beach, trank einen Jim Beam ohne Soda und sah den Bewegungen der von Scheinwerfern angestrahlten Palmen zu, deren Wedel träge in der abendlichen Meeresbrise wogten. Die Bar war gut besucht, wie meistens
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