Lautlos im Orbit (1988)
kein Geräusch.
Als letztes legt Philipp McBruns eine falsche Spur. Mit dem auf Minimalemission geschalteten Laser Skeltons brennt er eine verwischte Linie in eine der seitlichen Metallplastplatten des Ganges und läßt die Waffe einfach in der Luft hängen.
Danach wenden sie sich ab und gleiten zurück. Und je weiter sie sich von der Stelle entfernen, an der sie den Selbstmord Skeltons inszeniert haben, um so schneller und sicherer werden ihre Bewegungen.
Du liegst neben ihr, doch du spürst sie nicht, weder ihre Wärme noch den Druck ihres Körpers an deiner Seite, obwohl ihr euch berührt, obwohl sich eure Overalls berühren, ihr giftgrüner und dein graubrauner.
Selbst der Begriff »liegen« trifft nicht zu. Ihr schwebt nebeneinander, locker gehalten von den Schlaufen, die ihr nur lose um Brust und Oberschenkel gelegt habt. Als hättet ihr Angst, eine engere Befestigung könnte euch zu Berührungen zwingen, die euch jetzt fehl am Platz zu sein scheinen.
Ihr schweigt. Einer dem Atem des anderen lauschend. Und den Lärm draußen im Gang erwartend, der irgendwann in den nächsten Minuten den Klang der Reparaturglocken übertönen wird. Denn es wird Lärm geben, wenn sie Skeltons Leiche entdecken.
Später, eine Ewigkeit scheint vergangen zu sein, draußen auf dem Gang ist immer noch Stille, und die Schläge der Montiergeräte sind seltener geworden, spürst du, wie sie sich neben dir bewegt, und du hörst sie flüstern, als spräche sie zu sich selbst: »… mußte es tun. Wir hatten keine Wahl. Die letzte Chance muß uns bleiben. Es gab keine andere Lösung für…« Und plötzlich lauter, sehr laut: »Sag, daß es richtig war, Phil!« Es klingt wie ein Hilfeschrei.
Da berührst du mit der Hand ihre Hüfte, vorsichtig, ganz sacht, diese Berührung spürst du kaum, statt dessen merkst du, wie Doras Körper sich verkrampft.
»Nein, einen anderen Weg gab es nicht«, sagst du. »Keinen, der uns Rettung versprochen hätte.« Und das meinst du ganz ehrlich, du weißt, daß ihr verloren gewesen wärt, du zumindest. Sie hat dir Freiheit und Leben gerettet. Bis hierher. Was noch kommen wird, vermag jetzt noch niemand zu sagen. Und während du ihr all das erklärst, deine Gedanken vor ihr ausbreitend, fühlst du, daß sie sich ein wenig entspannt, daß sie deiner Hand um eine Winzigkeit entgegenkommt, und da begreifst du plötzlich, daß ihre Erstarrung vorhin nichts mit der Angst vor eurer Enttarnung zu tun hatte, sondern daß sie der Ausdruck eines tiefgehenden Schocks war. Der Schock eines Menschen, der das Töten eines anderen als Ungeheuerlichkeit empfindet und der doch töten mußte, wollte er millionenfachen Tod verhindern.
Was mag in der letzten halben Stunde in Dora vorgegangen sein, und wie mag es jetzt in ihr aussehen?
Und du liegst, schwebst neben ihr auf dem gemeinsamen Lager, und du bist außerstande, ihr Trost zu spenden, du vermagst sie nicht einmal in die Arme zu nehmen, denn jedes Wort, jede Berührung kämen dir jetzt dumm und geschmacklos vor, angesichts ihrer Erschütterung. Ein solches Ereignis kann das Leben eines Menschen von Grund auf verändern, von einem Tag auf den anderen.
So liegst du also neben ihr, und es ist euch nicht vergönnt, einander wenigstens schweigend zu spüren. Nicht einmal das.
Dann dröhnt die Stimme des Commanders aus den Lautsprechern, so plötzlich, daß Philipp McBruns auffährt. Noch bevor er sich dem Inhalt der Worte zuwendet, analysiert er den Klang der Stimme, in der ein kaum merkliches Vibrieren ist. »Sie haben ihn gefunden«, flüstert er.
»… minus zwanzig Minuten«, sagt die Stimme des Commanders. Das Vibrieren weicht zunehmend dem gewohnt sicheren Klang. »Ich wiederhole: Die Drehung der Station wird in Kürze wieder aufgenommen. Start nach Countdown. Ich befehle alle Dienste der Kernmannschaft unverzüglich auf ihre Positionen. Den Funkdienst übernimmt ab sofort Lieutenant Walter Graves vom Versorgungstrupp, die Feuerleitstelle wird durch Captain McBruns besetzt, Navigation vorläufig durch Captain Newman. Ich erwarte Meldung über den Gesundheitszustand des Ersten Navigators, Lieutenant Taylor. Volle Einsatzbereitschaft spätestens zehn Minuten nach Nullzeit. Zeit jetzt: null minus zwanzig Minuten. Ich wiederhole…«
Philipp löst seine Gurte, schiebt sich ab und schwebt über der Lagerstatt. Dora liegt noch immer bewegungslos, nur ihr dunkles Haar wogt im Takt ihrer Atemzüge über der weißen Stirnbinde. Ihr Atem geht langsam und
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