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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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sondern in Skeltons Äußerem. Solche Aversionen sind nicht eben selten, nur verstehen die meisten, sie zu verbergen. Glenn Morris verbirgt sie nicht.
    Erst daraus wird deutlich, unter welchem Zwang er gestanden haben muß, als er sich entschied, Lilianas verwaisten Platz mit einem Mann wie Walter Graves zu besetzen.
    Irgendwann kehrt Phil aus seinen Gedanken in die Realität zurück.
    »… die entstandenen Lücken in der Kernmannschaft der Station aufzufüllen«, hört er den Commander sagen. »Das gilt sowohl für den Bereich Funkanlage wie auch für den Feuerleitstand. Die Aufgaben des Ersten Funkers wird ab sofort Lieutenant Walter Graves übernehmen, für die Funktion des Zweiten Feuerleitoffiziers gibt es bisher noch keine Festlegungen. Ich erwarte bis spätestens morgen, vierzehn Uhr Ihre Vorschläge. Das ist alles! Gibt es Fragen?« Selbstverständlich gibt es keine Fragen. Der Schluß der Ansprache war rhetorisch gemeint. Jeder weiß es.
    »Also nicht?« Ein abermaliges Zögern. Dann: »Captain Newman!«
    »Sir?«
    »Übernehmen Sie das Kommando, Captain Newman!«
    »Verstanden, Sir! Kommando übernehmen!«
    »Captain Philipp McBruns!«
    »Sir?«
    »Sie kommen mit mir!«
     
    Sie treiben durch die Zentrale hinaus in den Gang, der durch eine der Speichen hinab zu den Außenbereichen der Station führt, und hinter ihnen schließt sich das Schott der Schleuse vor den Gesichtern der anderen. Auch vor Doras blassem Gesicht.
    Der Commander schweigt. Stumm betreten sie den Lift, stehen stumm nebeneinander und spüren die Gravitation wachsen, bis die irdische Last in ihre Körper zurückgekehrt ist, sie laufen den Gang mit den Türen zu den Unterkünften entlang, immer noch schweigend, und schließlich bleiben sie vor der Kammer des Commanders stehen. Dann fällt das einzige Wort, das auf diesem langen Weg gesprochen wurde, Glenn Morris öffnet die Tür und sagt: »Bitte!«
    Auch danach, während sie einander gegenübersitzen, die Gläser mit gelbem Juice in den Händen drehend, benötigen die Gedanken des Commanders lange, ehe sie sich zu Worten formieren. Und Phil ist nicht sicher, ob Glenn Morris mit dem beginnt, worüber er reden möchte, oder mit ganz anderem, um sich auf Umwegen an sein eigentliches Ziel heranzupirschen.
    »Wie konnte all das nur geschehen, Phil?« fragt Glenn Morris irgendwann, und er blickt nicht auf dabei. Er öffnet gedankenverloren den Verschluß seines rostroten Overalls über der Brust und fährt sich mit der Hand durch die Locken, die längst nicht mehr in diesen kupfernen Brauntönen schimmern, sondern dunkelgrau geworden sind mit der Zeit.
    Auch das ist nur eine rhetorische Frage. Glenn Morris hat die seinem Verständnis der Zusammenhänge entsprechenden Gründe mehrmals dargelegt, und diese Meinung ist offiziell.
    Phil antwortet nicht.
    Da blickt Glenn Morris auf. Er sieht müde aus, der Alte, aber um seinen Mund hat sich wieder der gewohnt harte Zug eingegraben, und seine Augen blicken klar und fordernd.
    »Hör zu, Phil! Ich weiß, daß der Alkohol der Auslöser war, und dabei bleibe ich auch. Was aber steckt dahinter? Oder besser: Was war davor?«
    Die Frage erstaunt Philipp nicht. Er weiß, daß Morris sie sich tausendmal selbst gestellt hat. Er wäre nicht Commander, wenn er sich nicht angewöhnt hätte, hinter die Dinge zu blicken. Was Phil aber verwundert, ist, daß Morris sie nun auch anderen stellt, daß er sich offenbar dazu durchgerungen hat, die eigene und damit offizielle Version nicht nur in Frage zu stellen, sondern sie sogar partiell zu verneinen. Was will er hören?
    Und da sitzt du ihm nun gegenüber in seiner kärglich eingerichteten Kabine, drehst dein Glas mit gelbem Juice in den Händen und witterst eine Falle, wie du überall bei Dingen und Vorgängen, die du nicht sofort durchschauen kannst, eine Falle witterst.
    Vielleicht ist die Frage ohne jede Hinterhältigkeit gestellt, gewissermaßen von Mensch zu Mensch, denn Glenn Morris ist ein Mensch, wahrscheinlich nicht einmal ein so schlechter, wenn man davon ausgeht, daß jeder seine Fehler hat, sichtbare und verborgene. Wahrscheinlich ist sein größter Fehler die Erziehung, die er genossen hat. Die Erziehung zu einem, der über den Dingen zu stehen hat. Dort aber ist er allein. Und ein menschliches Wesen kann nicht immer allein sein. Es kann auch nicht immer über den Dingen stehen. Es irrt. Und es zweifelt. Auch an sich selbst und auch dann, wenn es nicht irrt.
    Nimm also an, dieser Glenn Morris suche nur

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