Lautlose Jagd
den von Wind und Wetter mitgenommenen Hangars und dem alten Stabsgebäude hinüber.
»Ich wusste gar nicht, dass dieser Platz noch offen ist«, sagte John Long. Als Folge seines Ausstiegs mit dem Schleudersitz trug er noch immer eine Nackenstütze, hatte das linke Knie bandagiert und würde erst in ein paar Wochen wieder flugtauglich sein. Auf seinem Schoß lag ein aufgeschlagenes Flugplatzhandbuch. »Hier steht, dass es am Platz eine Staffel der staatlichen Forstbehörde und eine Zapfsäule gibt, an der man mit Kreditkarten tanken kann.« Als Rebecca keine Antwort gab, sah John zu ihr hinüber.
Sie hatte die kleine einmotorige Cessna einwandfrei geflogen, schien aber in Gedanken eine Million Meilen weit entfernt zu sein...
... oder genauer gesagt: 11000 Meilen weit, in Korea.
Rebecca rollte zu der Zapfsäule mit Selbstbedienung hinüber, stellte den Motor ab und stieg mit Long in den hellen Sonnenschein und die kühle, frische Bergluft aus. Der Flugplatz lag in einem Tal zwischen zwei Bergketten, deren höchster Gipfel nur zehn Meilen südwestlich des Platzes weitere 1500 Meter hoch aufragte. Hier und dort waren einzelne Privatmaschinen abgestellt, und neben dem alten Stabsgebäude parkten mehrere Autos.
Ansonsten schien der Platz verlassen zu sein. An der langen Front des Stabsgebäudes war eine verblasste Inschrift zu lesen: Willkommen auf der Tuscarora Army Air Corps Base, Battle Mountain, Nevada, Platzhöhe 4532 ft.
»Wahrscheinlich sind hier im Zweiten Weltkrieg Bomberbesatzungen ausgebildet worden«, meinte John. Er sah sich um. »Muss wegen der Berge schwierig gewesen sein, aber der Platz liegt jedenfalls verdammt einsam.«
Rebecca blieb schweigsam - tatsächlich hatte sie kaum ein Wort gesagt, seit sie John auf dem Reno-Tahoe Airport abgeholt hatte, um mit ihm in der Cessna nach Battle Mountain zu fliegen. Sie war zum Stabsgebäude unterwegs, aber dann sah sie, dass die Schiebetore des alten Holzhangars im Nordosten des Platzes geöffnet waren, und marschierte wortlos darauf zu. Long folgte ihr leicht hinkend.
Wie sich bald zeigte, standen die Tore offen, weil in dem Hangar ein Flugzeug stand: die Gulfstream IV, die Rebecca und die anderen aus Reno nach Dreamland zurückgebracht hatte. Im Hangar erwarteten sie General Terrill Samson, Patrick McLanahan, David Luger, Nancy Cheshire, Hal Briggs und zu ihrer Überraschung auch Annie Dewey.
»Hübsche P210«, sagte Patrick, als sie mit Long in den Hangar kam. »Ich habe schon überlegt, ob ich mir eine kaufen sollte. Gefällt sie Ihnen?«
Rebecca zuckte mit den Schultern. »Sie sind in Ordnung«, sagte sie, während sie Patrick die Hand schüttelte.
»Über eine B-1B geht eben doch nichts, was?«, fragte Patrick lächelnd. Rebecca blieb ernst. »Gehört sie Ihnen?«
»Sie hat Rinc gehört«, sagte sie hölzern. »Ich... ich hab sie mir geliehen.«
Annie trat auf Rebecca zu und umarmte sie herzlich. »Alles in Ordnung, Boss?«, fragte sie.
»Eigentlich nicht«, gab Rebecca zu. Nach einem prüfenden Blick zu Dave Luger hinüber wandte sie sich wieder Annie zu und zog lächelnd die Augenbrauen hoch. »Du und Oberstleutnant Luger?«
»Verlieben kann man sich zu den unpassendsten Zeiten und an den komischsten Orten«, sagte Annie. »Sieht so aus, als wären wir dafür bestimmt, auch privat ein Team zu bilden.« Rebecca drückte ihr die Hand, um sie zu beglückwünschen.
»Willkommen, Oberstleutnant«, dröhnte General Samson zur Begrüßung. »Freut mich, dass Sie herkommen konnten.« Rebecca schüttelte ihm und den anderen die Hand. »Wie geht's Ihnen, Oberstleutnant Long?«
»Viel besser, danke, Sir.«
»Gut«, sagte Samson. »Nun, ich bin sicher, dass Sie alle die erfreuliche Nachricht gehört haben, dass China und Korea endlich diplomatische Beziehungen aufgenommen und Botschafter ausgetauscht haben. Was Sie vielleicht nicht erfahren haben, ist, dass China beschlossen hat, sämtliche Grenztruppen abzuziehen. Auch die Koreaner haben ihre Truppen abgezogen. Das Gleiche gilt für die russisch-koreanische Grenze.«
Rebecca äußerte sich nicht dazu.
»Weitere gute Nachrichten: Bei den ersten landesweiten Wahlen ist Ministerpräsident Lee Kyong-sik zum Staatspräsidenten gewählt worden. Ein Nordkoreaner ist Vizepräsident. Damit sieht es so aus, als könnte sich das kleine Land nach allem, was es durchgemacht hat, auf einen friedlichen Wiederaufbau konzentrieren.«
»Hat es peinliche Fragen wegen des... äh... Schlusspunkts in Osan gegeben?«,
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