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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Jon.« Sie beugte sich näher zu ihm, ihr unförmiger Pullover und das Strickkostüm dehnten sich noch weiter. »Jetzt hör mal aufmerksam zu. Ich weiß, dass Bishop keine Verstärkung angefordert hat, weil er mit Gillette abgehauen ist. Und selbst wenn, schafft es niemand rechtzeitig hierher, nachdem du die Straßen ja so wunderbar verstopft hast. Mir bleibt alle Zeit der Welt, um dich zum Sprechen zu bringen. Und glaub mir, ich bin die Frau, die das auch schafft. Ich mach das nicht zum ersten Mal.«
    »Du kannst mich mal«, keuchte er.
    In aller Seelenruhe packte sie sein Handgelenk und zog den Arm näher zu sich, legte die Hand flach auf den Beton. Er versuchte, sich zu wehren, war aber dazu nicht in der Lage. Er starrte auf seine gespreizten Finger, über denen das schwere Werkzeug lauernd schwebte.
    »Ich will den Quellcode. Ich weiß, dass er nicht hier ist. Du hast ihn irgendwo in ein gutes Versteck geladen – eine von einem Passcode geschützte FTP Site. Stimmt’s?«
    Viele Hacker versteckten ihre Programme in so genannten »file transfer protocols«. Es konnte sich auf jedem beliebigen Computersystem irgendwo auf der Welt befinden. Ohne die genaue FTP-Adresse, den Usernamen und den Passcode war eine solche Datei ebenso schwer zu finden wie ein Fetzen Mikrofilm im Regenwald.
    Phate zögerte.
    »Schau dir diese Finger an«, sagte sie sanft. »Mein Gott, was hast du dir nur angetan?« Sie strich über die verschrumpelten, stumpfen Kuppen. Dann flüsterte sie kaum hörbar: »Wo ist der Code?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Der Hammer sauste auf Phates kleinen Finger herab. Gillette hörte ihn nicht auftreffen. Er hörte nur Phates abgerissenen Schrei.
    »Ich kann so noch den ganzen Tag weitermachen«, sagte sie ungerührt. »Macht mir überhaupt nichts aus. Das ist mein Job.«
    Mit einem Mal huschte finsterer Zorn über Phates Gesicht. Der Mann, der es gewöhnt war, alles unter Kontrolle zu haben, der meisterhafte MUDSpieler … und jetzt war er völlig hilflos.
    Um Himmels willen, dachte Gillette. Sag’s ihr doch.
    Wieder hob sie den Hammer.
    »Nein, nein!«, schrie Phate. Er holte tief Luft. »Also gut …« Er verriet ihr die Nummern der Internet-Adresse, den Usernamen und den Passcode.
    Daraufhin zückte sie ein Handy, wählte eine Nummer und gab die Information durch. Sie wartete ein paar Minuten, lauschte und sagte: »Geh Zeile für Zeile durch, und lass dann einen Compiler laufen … du musst ganz sicher sein, dass es auch das Richtige ist.«
    Während sie wartete, ließ sie den Blick durch den Raum und über die alten Computer wandern. Hin und wieder, wenn sie auf einen bestimmten Gegenstand fielen, leuchteten ihre Augen wissend, manchmal sogar liebevoll und fast zärtlich auf.
    Fünf Minuten später meldete sich der Anrufer wieder. Sie nickte. »Gut«, sagte sie in den Hörer, offensichtlich überzeugt davon, dass es sich um das echte Programm handelte. »Jetzt geh zurück auf die FTP Site, und übernimm das Root-Verzeichnis. Überprüfe die Upload und Download Logs. Sieh nach, ob er den Code noch woandershin übertragen hat.«
    Mit wem redet sie da?, fragte sich Gillette. Ein derartig kompliziertes Programm wie Trapdoor zu überprüfen und zu compilen dauerte normalerweise mehrere Stunden. Gillette vermutete, dass mehrere Leute an mehreren entsprechend ausgerüsteten Supercomputern saßen.
    Kurz darauf neigte sie den Kopf zur Seite und hörte zu. »Okay. Vernichtet die FTP Site und alles, womit sie in Verbindung steht. Ja, nehmt Infekt IV … Nein, ich meine das ganze Network. Ist mir egal, ob es mit dem CDC und dem Roten Kreuz verlinkt ist. Alles vernichten.«
    Der Virus Infekt IV wirkte wie ein unkontrollierbares Buschfeuer. Er vernichtete methodisch den Inhalt sämtlicher Dateien auf der FTP Site, auf der Phate den Quellcode versteckt hatte, und auf jedem Rechner, mit dem sie verlinkt war. Infekt verwandelte die Daten von Hunderten von Maschinen in unleserliche Ketten zufälliger Symbole, die es unmöglich machten, auch nur die leiseste Erinnerung an Trapdoor zu rekonstruieren, von einem funktionsfähigen Quellcode ganz abgesehen.
    Phate schloss die Augen und lehnte den Hinterkopf an die Säule.
    Nolan erhob sich und kam, immer noch mit dem Hammer in der Hand, auf Gillette zu. Er rollte sich auf die Seite und versuchte wegzukriechen, aber sein Körper wollte ihm nach dem Elektroschock noch immer nicht gehorchen. Er brach abermals zusammen. Patricia beugte sich ganz nah zu ihm hinunter. Gillette

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