Lautloses Duell
er warf ihm einen Blick zu. Der Hacker zeigte auf die eigenen Finger und ließ den Blick dann wieder zu McGonagles Hand wandern. Jetzt bemerkte Bishop es auch.
McGonagle sah auf und schaute in Bishops Augen, die keinen Zweifel offen ließen.
Nur, dass sein Name natürlich nicht McGonagle war. Unter dem gefärbten grauen Haar, den angeschminkten Falten, der Brille und dem aufgepolsterten Bauch steckte Jon Holloway. Die Bruchstücke scrollten wie Zeilen entschlüsselter Software an Gillettes geistigem Auge vorbei: Joe McGonagle war nur eine weitere von Holloways vielen Identitäten. Diese Firma war eine seiner Fassaden. Er hatte sich in das kalifornische Firmenverzeichnis gehackt, eine fünfzehn Jahre alte Firma erfunden und sich und Stephen Miller zu gleichberechtigten Eigentümern gemacht. Die Rechnung, die sie gefunden hatten, war für ein Computerteil, das Phate
gekauft,
nicht verkauft hatte.
Einen Augenblick lang rührte sich keiner von ihnen.
Dann sprang Gillette mit einem Satz zur Seite, Bishop griff nach seiner Pistole, Phate schnellte nach hinten und zog dabei seine eigene Pistole aus der Aktenschublade. Bishop hatte nicht genug Zeit, um seine Pistole zu zücken; er machte einfach einen Satz auf den Mörder zu und rammte ihm die Faust in die Seite, woraufhin Holloway seine Waffe fallen ließ. Bishop kickte sie weg, doch im gleichen Augenblick packte Phate den Schussarm des Polizisten und schnappte sich mit der anderen einen Hammer, der auf einer Holzkiste gelegen hatte. Mit einer raschen Bewegung schlug er Bishop damit auf den Kopf.
Der Detective ging keuchend in die Knie. Phate schlug noch einmal zu, diesmal gegen Bishops Hinterkopf, ließ den Hammer fallen und bückte sich nach der Pistole auf dem Fußboden.
40 Kapitel 000101000
Wyatt schnellte instinktiv nach vorne und packte Phate am Kragen und am Arm, bevor er eine der Pistolen in die Finger bekam.
Der Mörder holte mit der Faust aus, wollte Gillette im Gesicht oder am Hals treffen, doch die beiden Männer standen so dicht nebeneinander, dass der Faust der nötige Schwung fehlte und der Hieb keinen Schaden anrichtete.
Ineinander verkrallt torkelten sie durch eine zweite Tür, aus dem Büro hinaus in einen weitaus größeren Raum – einen Dinostall, der CCU-Zentrale nicht unähnlich.
Die Fingerspitzenliegestützen, die Gillette in den vergangenen beiden Jahren täglich gemacht hatte, verhalfen ihm zu einem schraubstockartigen Griff, doch auch der Mörder war sehr kräftig, sodass Gillette keinen Vorteil erringen konnte. Wie ineinander verkeilte Catcher stolperten sie über den erhöhten Boden. Gillette sah sich nach einer Waffe um und staunte über die Ansammlung alter Computer und Computerteile. Hier war die gesamte Entwicklung der Computergeschichte auf- und ausgestellt.
»Wir wissen alles, Jon«, keuchte Gillette und wandte sich wieder dem Mörder zu. »Wir wissen, dass Stephen Miller Shawn ist. Wir kennen deine Pläne und deine anderen Ziele. Du entkommst uns nicht mehr!«
Doch Phate reagierte nicht auf seine Worte. Grunzend rang er Gillette nieder und streckte die Hand nach einem Brecheisen aus, das nicht weit entfernt auf dem Boden lag. Gillette stemmte seinen Fuß gegen ein im Boden verschraubtes Tischbein, drückte mit aller Kraft dagegen und schob Phate von dem Eisenstück weg.
Fünf Minuten lang teilten die Hacker nicht sehr effektive Schläge aus und ermüdeten dabei immer mehr. Dann riss sich Phate los und hechtete zu dem Brecheisen, nahm es vom Boden auf und hielt es drohend in der Hand. Sofort ging er auf Gillette los, der sich verzweifelt nach einer Waffe umschaute, aber lediglich eine alte Holzkiste auf einem Tisch neben sich stehen sah, von der er den Deckel abriss und den Inhalt herauszog.
Phate blieb wie angewurzelt stehen.
Gillette hielt etwas in der Hand, das wie eine antike Glühbirne aussah. Es war eine Original-Audion-Röhre, der Vorläufer der Vakuumröhre und letztendlich der Urahn des Silikon-Computerchips.
»Nein!«, schrie Phate und streckte ihm abwehrend die Innenseite seiner Hand entgegen. Dann flüsterte er: »Sei vorsichtig! Ich bitte dich!«
Gillette bewegte sich rückwärts auf das Büro zu, in dem Frank Bishop lag.
Phate folgte ihm langsam, das Brecheisen mit beiden Händen wie einen Baseballschläger erhoben. Er wusste, dass er Gillettes Arm oder Kopf mit Leichtigkeit zerschmettern konnte, brachte es aber nicht über sich, das kostbare gläserne Kunstwerk zu gefährden.
Der Tod eines Menschen
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