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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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allerschlimmsten war, dass er sich wieder, wie bei allen Sportarten, zum Gespött der anderen machen würde.
    Mit Alt-F6 sprang er wieder aus dem Regenwald-Fenster und tippte eine Abfrage an sein Crack-er-Programm ein, um nachzusehen, wie es mit dem Passwort stand. Plötzlich stutzte er und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Schirm, denn ihm war etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Die Schrift auf dem Monitor kam ihm eine Spur verschwommener als sonst vor. Außerdem schienen die Buchstaben leicht zu flimmern.
    Und noch etwas: Die Tasten fühlten sich unter seinen Fingern irgendwie schwerfällig an, schienen nicht ganz so schnell zu reagieren wie sonst.
    So etwas war ihm noch nie zuvor passiert, und er fragte sich, woran das liegen mochte. Er hatte mehrere Diagnostikprogramme geschrieben und beschloss, eines oder zwei davon drüberlaufen zu lassen, sobald er den Passcode gekrackt hatte. Sie würden ihm verraten, was mit der Kiste nicht stimmte.
    Seiner Meinung nach müsste es sich um einen Virus im Systemordner handeln, vielleicht ein Problem mit dem Grafikbeschleuniger. Das würde er als Erstes überprüfen.
    Einen Moment lang schoss Jamie Turner ein lächerlicher Gedanke durch den Kopf, nämlich dass die undeutlichen Buchstaben und die langsame Ansprechzeit der Tasten keineswegs ein Problem im Betriebssystem waren, sondern vielmehr vom Treiben des Geistes eines längst verstorbenen Indianers herrührten, der zwischen Jamie und seiner Maschine schwebte, sauer war, dass er in seiner Ruhe gestört wurde, und mit kalten Geisterfingern verzweifelte Hilferufe eintippte.

5 Kapitel 00000101
    In der linken oberen Ecke von Phates Bildschirm saß ein kleines Rechteck mit dem Inhalt:
    Trapdoor – Jagdmodus Ziel:[email protected] Online:ja Betriebssystem:MS-DOS/Windows Antivirus-Software:Ausgeschaltet
    Der Monitor zeigte genau das, was Jamie Turner auf seiner Maschine sah, mehrere Kilometer entfernt in St. Francis. Momentan war das ein Menü für ein Programm zum Knacken von Passcodes, das Jamie selbst geschrieben hatte. Phate war beeindruckt.
    Als er vor einem Monat in die Maschine des Jungen eingedrungen war, hatte ihn diese Figur in seinem Spiel ganz besonders fasziniert.
    Phate hatte viel Zeit damit verbracht, Jamies Dateien zu durchforsten, und inzwischen wusste er so viel über ihn, wie er zuvor über Lara Gibson erfahren hatte.
    Zum Beispiel:
    Jamie Turner hasste Sport und Geschichte, glänzte in Mathe und Physik, obwohl die Lehrer den Jungen auf Dauer nicht genug forderten. Er war ein geradezu unersättlicher Leser. Der Junge war ein MUDHead und verbrachte endlose Stunden in den Multi-User Domain Chatrooms im Internet, wo er es bei diversen Rollenspielen zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hatte und bei der Erschaffung und der Pflege der im MUD-Bereich so beliebten virtuellen Zivilisationen Engagement und Kreativität bewies. Außerdem war Jamie ein herausragender Codeslinger – ein autodidaktischer Programmierer. Er hatte seine eigene Website entworfen und war dafür mit dem Nachwuchspreis der
Website Revue Online
ausgezeichnet worden. Er hatte eine Idee für ein neues Computerspiel entwickelt, das Phate geradezu faszinierend fand und das eindeutig kommerzielles Potenzial barg.
    Einmal hatte sich Jamie in einem Elektronikladen in einer Mall unweit der Schule über deren Vorführcomputer, Telefone und Modems in die offizielle Homepage der kalifornischen Regierung gehackt und dort eine Zeichentrickversion des Bären aus dem Staatswappen ausgesetzt, der auf der Website hin und her spazierte und ab und zu ein Bärenhäufchen fallen ließ. Dabei hatte Jamie seine Spuren so gut verwischt, dass die Cybercops bis heute nicht herausgefunden hatten, wer für die peinliche Geschichte verantwortlich war.
    Die größte Angst des Jungen war, sein Augenlicht zu verlieren; er hatte sich eigens bei einem Online-Optiker eine bruchsichere Brille bestellt.
    Das einzige Familienmitglied, mit dem er ausführlich per Mail und auch sonst in Kontakt stand, war sein älterer Bruder Mark. Die Eltern waren reich und viel beschäftigt und antworteten meist auf jede fünfte oder sechste E-Mail, die ihnen ihr Sohn schickte.
    Phate war zu dem Schluss gekommen, dass Jamie Turner genial und fantasievoll, belastbar und verletztlich war.
    Und damit gehörte er zu der Sorte Hacker, die eines schönen Tages eine Bedrohung für ihn darstellen würden.
    Wie viele der großen Computer-Wizards, hatte Phate eine ausgeprägt mystische Ader. Er war

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