Lautloses Duell
den Dreißigern, der schweigend neben einer mit einem Business-Suit bekleideten Frau ging. Plötzlich drehte sich der Mann zur Seite, nahm die Frau an der Hand und zog sie hinter sich her. Sie lachten und verschwanden in einem Gebüsch aus riesigen Fliedergewächsen. Im Schutz der Pflanzen schlangen sie die Arme umeinander und küssten sich leidenschaftlich.
Diese Szene rief ihm seine eigene Familie in Erinnerung, und Bishop fragte sich, wie oft er seine Frau und seinen Sohn in der nächsten Woche wohl sehen würde. Nicht sehr oft, so viel war klar.
Und dann vermengten sich, wie es manchmal geschieht, zwei Gedanken in seinem Kopf, aus denen ein dritter geboren wurde.
Mach was …
»Auf geht’s«, rief Bishop und rannte auf dem Weg zurück, den sie soeben gemächlich entlanggeschritten waren. Er war zwar deutlich schlanker als Shelton, aber nicht besser in Form als dieser, und so keuchte er heftig, als sie wieder in dem Bürogebäude angekommen waren. Auch sein Hemd hatte sich vor lauter Hektik erneut aus der Enge des Hosenbundes befreit.
»Warum so eilig, Mensch?«, keuchte sein Partner.
Aber der Detective blieb ihm die Antwort schuldig. Er rannte durch die Eingangshalle von Internet Marketing bis zur Personalabteilung durch, ignorierte die Sekretärin, die bei seinem stürmischen Eintreffen alarmiert aufsprang und riss die Tür zum Büro der Personalchefin auf, hinter der die Dame sich gerade mit einem jungen Mann unterhielt, der womöglich zu einem Einstellungsgespräch nach Geschäftsschluss hier saß.
»Detective!«, entfuhr es der überraschten Frau. »Was ist denn los?«
Bishop rang nach Atem. »Ich muss Ihnen noch ein paar Fragen zu Ihrer Belegschaft stellen.« Sein Blick streifte den jungen Mann. »Am liebsten unter vier Augen.«
»Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden«, sagte sie zu dem ihr gegenübersitzenden Gesprächspartner, der das Büro reichlich verunsichert verließ.
Hinter ihm schloss Shelton schwungvoll die Tür.
»Was denn für Fragen? Geht es um unser Personal?«
»Nein, es ist persönlicher.«
15 Kapitel 00001111
Hier ist das gelobte Land, hier ist das Land, wo Milch und Honig fließen.
Das Land des König Midas, in dem Gold gemacht wird, aber nicht mit den windigen Tricks der Wall Street oder der Muskelkraft der Industrie im Mittelwesten, sondern allein durch die Kraft der Fantasie.
Hier ist das Land, in dem so manche Sekretärin und so mancher Hausmeister mit Vorzugsaktien zu Millionären geworden sind, das Land, in dem andere die ganze Nacht im 22er Bus zwischen San Jose und Menlo Park hin und her fahren, um ein paar Stunden Schlaf zu finden – und auch diese haben, wie ein Drittel der Obdachlosen in diesem Landstrich, Vollzeitjobs, können es sich aber nicht leisten, eine Million Dollar für einen winzigen Bungalow oder dreitausend Dollar Miete pro Monat für eine kleine Wohnung zu zahlen.
Das ist Silicon Valley, das Tal, das die Welt verändert hat.
Santa Clara County, ein grünes Tal mit einer Fläche von fünfunddreißig auf fünfzehn Kilometer, war schon sehr früh in weiser Voraussicht das »Tal der Wonne« genannt worden, doch damals, als diese Bezeichnung geprägt wurde, bezog sich das Entzücken eher auf kulinarische Genüsse und nicht auf technologische Errungenschaften. Auf dem fruchtbaren Boden achtzig Kilometer südlich von San Francisco gediehen Aprikosen, Walnüsse und Kirschen im Überfluss. Das Tal hätte, wie andere Landstriche Kaliforniens, bis in alle Ewigkeit wegen seiner landwirtschaftlichen Produkte bekannt bleiben können, wie etwa Watsonville mit seinen Artischocken oder Gilroy mit Knoblauch, wäre nicht im Jahr 1909 ein Mann namens David Starr Jordan, der damalige Präsident der Stanford University, die genau in der Mitte des Santa Clara Valley liegt, einer impulsiven Eingebung gefolgt. Jordan entschloss sich, ein wenig Risikokapital in eine kaum bekannte Erfindung eines gewissen Lee De-Forrest zu investieren.
Die Audion-Verstärkerröhre des Erfinders war keine so bahnbrechende Neuerung wie beispielsweise der Phonograph oder der Verbrennungsmotor. Die Erfindung gehörte zu der Art, die zurzeit ihrer Präsentation von der allgemeinen Öffentlichkeit weder wahrgenommen noch verstanden wurde. Jordan und einige andere Techniker in Stanford glaubten jedoch daran, dass das Gerät womöglich doch noch einen praktischen Nutzen zeitigen könnte, und es dauerte nicht lange, bis sich herausstellte, wie richtig sie mit ihrer Vermutung gelegen hatten:
Weitere Kostenlose Bücher