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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Die Audionröhre war die erste elektronische Vakuumröhre, die das Radio, das Fernsehen, den Radar, medizinische Monitore, Navigationssysteme und letztendlich den Computer erst möglich gemacht hat.
    Nachdem das Potenzial der winzigen Audion erst einmal ausgelotet war, veränderte sich das Antlitz dieses üppig grünen, verschlafenen Tals ein für alle Mal.
    Die Stanford University wurde zur Brutstätte für Elektroingenieure, von denen viele auch nach dem Uniabschluss in der Gegend blieben, wie etwa David Packard und William Hewlett, oder Russell Varian und Philo Farnsworth, deren Forschungen uns den ersten Fernsehapparat bescherten, den Radar und die Mikrowellentechnologie. Die ersten Computer wie ENIAC und Univac waren Erfindungen von der Ostküste, aber ihre technischen Beschränkungen – gigantische Ausmaße und die immense Hitzeentwicklung – trieb die Neuerer nach Kalifornien, wo neue Firmen mit einem winzigen Ding namens Halbleiter viel versprechende Fortschritte machten, einer Erfindung, die weitaus kleiner, hitzebeständiger und leistungsfähiger als Röhren war. Robert Shockley, einer der Väter des Halbleiters, baute hier sein Forschungslabor auf, das Dutzende genialer Ingenieure durchliefen, die wenig später die Computerindustrie zu dem machen sollten, was sie heute ist. Shockley-Schüler und andere riefen 1958 Fairchild Semiconductor ins Leben, und von diesem Zeitpunkt an ließ sich der energische Siegeszug der Maschinenwelt nicht mehr aufhalten, von IBM zu Xerox PARC, vom Stanford Research Institute über Intel und Apple zu den Tausenden von Dotcom-Firmen, die heute über die fruchtbare Landschaft verstreut sind.
    Silicon Valley …
    Mitten durch dieses Tal der Wonne lenkte Phate seinen Wagen, diesmal durch den abendlichen Berufsverkehr auf der Schnellstraße 280 nach Südosten, Richtung St. Francis Academy, wo er eine Verabredung mit Jamie Turner hatte.
    Im CD-Player seines Jaguars drehte sich wieder ein Theaterstück, diesmal
Hamlet
, die Aufnahme mit Laurence Olivier.
    Die Worte synchron mit dem Schauspieler sprechend, bog Phate an einer Ausfahrt auf der Höhe von San Jose vom Freeway ab und rollte schon fünf Minuten später an dem düsteren Gebäude im spanischen Kolonialstil vorüber, in dem die St. Francis Academy untergebracht war. Es war 17 Uhr 15. Ihm blieb noch über eine Stunde, um sich das Gebäude und seine Umgebung genauer anzusehen.
    Er parkte in einer staubigen Einkaufsstraße unweit des Nordeingangs, durch den Jamie wie geplant entwischen sollte. Er klappte das Grundrissdiagramm des Gebäudes von der städtischen Baubehörde und das Urkundenverzeichnis mit den betreffenden Grundstücksverhältnissen aus und brütete zehn Minuten über den Dokumenten. Dann stieg er aus, ging einmal langsam um die Schule herum, prägte sich dabei sämtliche Ein- und Ausgänge ein und kehrte zu seinem Jaguar zurück.
    Dort drehte er den CD-Player lauter, klappte den Sitz nach hinten und lauschte den Worten der Schauspieler, während er den Leuten draußen dabei zuschaute, wie sie auf dem nassen Bürgersteig vorübereilten oder auf Fahrrädern vorbeistrampelten. Sie waren für ihn nicht wirklicher – oder unwirklicher – als der gepeinigte Dänenprinz in Shakespeares Bühnenstück, und einen Moment war sich Phate nicht mehr sicher, ob er in der Maschinenwelt oder in der realen Welt lebte.
    Er hörte eine Stimme, vielleicht seine eigene, eine leicht abgewandelte Version des Stückes rezitieren: »Welch ein Meisterwerk ist die Maschine! Wie edel durch Vernunft! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten, in Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig! Im Handeln wie ähnlich einem Engel! Im Begreifen wie ähnlich einem Gott!«
    Er überprüfte sein Messer und die Spritzflasche mit der ätzenden Mixtur, die sorgfältig in den Taschen seines grauen Overalls verstaut waren, auf dessen Rücken er die Worte
AAA Reinigung und Instandhaltung
gestickt hatte.
    Ein kurzer Blick auf die Uhr, dann schloss er die Augen wieder und ließ sich in das kostbare Leder seines Wagens sinken. Nur noch zwanzig Minuten, bis Jamie Turner sich aus der Schule schleichen würde, um sich mit seinem Bruder zu treffen.
    Nur noch zwanzig Minuten, dann würde er, Phate, wissen, ob er diese Runde des Spiels gewonnen oder verloren hatte.
    Er strich vorsichtig mit dem Daumen über die scharfe Schneide des Messers und stellte sich Olivier vor, wie er eine Textzeile vortrug, die Shakespeare wahrscheinlich nicht geschrieben hätte: Zugriff ist

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