erklärte es ihnen, teilte ihnen aber auch mit, dass er Vlast über eine zweite Spur ausfindig zu machen hoffte: über seine Internet-Adresse –
[email protected]. Gillette rief Hyper-Trace auf, tippte Vlasts Adresse ein, und das Programm machte sich an die Arbeit. Auf dem Bildschirm erschien eine Weltkarte, auf der sich von San Francisco aus eine gepunktete Linie auf die Reise machte, vom Standort des CCU-Computers quer über den Pazifik. Jedes Mal, wenn sie auf einen neuen Internet-Router traf und die Richtung änderte, gab der Rechner einen elektronischen Pieps von sich, einen so genannten »Ping«– der so genannt wurde, weil er sich wie das Sonarecho bei U-Booten anhörte.
»Stammt das Programm von Ihnen?«, erkundigte sich Nolan.
»Genau.«
»Das ist genial.«
»Ja, hat ziemlich Spaß gemacht, es zusammenzuhacken.« Gillette blinzelte, wandte aber den Blick nicht vom Bildschirm ab.
Die Linie, die die Route von der CCU zu Vlasts Computer abbildete, erstreckte sich immer weiter nach Westen, bis sie schließlich irgendwo in Zentraleuropa stehen blieb und in einem Kästchen mit einem Fragezeichen endete.
Gillette sah sich die Grafik an und tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Okay, Vlast ist zurzeit nicht online, oder er hält den Standort seiner Kiste geheim, deshalb das Fragezeichen am Ende unserer Spur.« Er bewegte den Cursor auf die Linie neben dem Kästchen und doppelklickte die Maus. Ein Textfenster erschien, und er las es, dann sagte er: »Euronet.bulg.net. Diese genaue Adresse habe ich nicht, aber er loggt sich durch den Euronet-Server in Bulgarien ein. Hätte ich mir denken können.«
Nolan und Miller nickten zustimmend. In Bulgarien gab es wahrscheinlich mehr Hacker pro Einwohner als in jedem anderen Land. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Niedergang des Kommunismus in Europa hatte die bulgarische Regierung versucht, das Land in ein Silicon Valley des ehemaligen Ostblocks zu verwandeln und Tausende von Codeslingers und Chipjocks importiert. Zur großen Bestürzung der Wirtschaftsmanager fegten IBM, Apple, Microsoft und andere US-Firmen jedoch sämtliche Weltmärkte leer. High-Tech-Firmen aus anderen Ländern gingen scharenweise pleite, und die jungen Geeks blieben auf ihrem Wissen sitzen. Sie hatten nichts anderes mehr zu tun, als in Cafés herumzuhängen und zu hacken. Bulgarien produzierte im Jahr mehr Computerviren als jedes andere Land auf der Welt.
»Arbeiten die bulgarischen Behörden mit uns zusammen?«, wollte Nolan von Miller wissen.
»Ach was. Die Regierung dort antwortet nicht einmal auf unsere Anfragen bezüglich bestimmter Informationen.« Dann schlug Miller vor: »Warum mailen wir ihn nicht einfach direkt an. Vlast, meine ich.«
»Nein«, antwortete Gillette. »Er könnte Phate warnen. So eine Aktion halte ich für eine Sackgasse.«
Aber genau in diesem Augenblick piepte der Rechner abermals. Gillettes Bot meldete den nächsten Fang.
Suchergebnisse:
Suchanfrage: » T r iple-X«
Location: IR C, #hack
Status: zur Zeit online
Triple-X, der Hacker, den Gillette zuvor ausfindig gemacht hatte, derjenige, der einiges über Phate und Trapdoor zu wissen schien.
»Er hält sich im Hacking Chatroom des Internet Relay Chat auf«, sagte Gillette. »Ich weiß nicht, ob er einem Unbekannten irgendetwas über Phate erzählt, aber wir können ja mal versuchen, ob wir ihn finden.« An Miller gerichtet, fragte er: »Bevor ich einlogge, brauche ich einen Anonymizer. Habt ihr einen hier?«
Ein Anonymizer oder Cloak ist ein Programm, das jeden Versuch abblockt, jemanden zurückzuverfolgen, so lange er online ist, indem es vorgibt, man sei ein anderer Teilnehmer und sitze an einem anderen Ort.
»Klar, ich hab erst gestern einen gehackt.«
Miller lud das Programm auf Gillettes Rechner. »Wenn Triple-X uns anpeilen will, bekommt er die Information, dass wir uns an einem öffentlichen Terminal in Austin eingeloggt haben. Dort unten in Texas gibt es an den Unis jede Menge Hacker.«
»Sehr gut.« Gillette widmete sich wieder der Tastatur, warf einen kurzen Blick auf Millers Programm und gab dann seinen neuen Usernamen, Renegade334, in den Anonymizer ein. Er tippte ein paar Befehle und schaute dann in die Runde. »Na schön, dann also mit Kopfsprung ins Haifischbecken«, sagte er und drückte auf Enter.
»Genau dort hat er gestanden«, sagte der für die Sicherheit zuständige Angestellte. »Dort drüben auf dem Parkplatz, eine helle Limousine. Ungefähr eine Stunde, ziemlich