Lautloses Duell
Schule sei.
Phate hatte St. Francis überstürzt verlassen müssen und war gerade noch entwischt, bevor die Streifenwagen aus drei verschiedenen Richtungen eintrafen.
Wie, um alles in der Welt, hatten sie das herausgefunden?
Na schön, er war ein wenig durcheinander, doch als Experte in Multi-User Domain Games, mithin als überlegener Stratege, wusste Phate genau, dass es nur eine Antwort auf einen Beinahesieg des Feindes gab.
Erneut zuschlagen.
Er brauchte ein neues Opfer. Er ging das Verzeichnis in seinem Computer durch und öffnete einen Ordner namens Univac Week, der Informationen über Lara Gibson, die St. Francis Academy und andere potenzielle Opfer im Silicon Valley enthielt. Er las ein paar Artikel der Online-Lokalzeitungen durch, wo er Geschichten über Leute wie paranoide Rap-Stars fand, die nur mit schwer bewaffneter Gefolgschaft reisten, Politiker, die sich für unpopuläre Ziele einsetzten, oder Abtreibungsärzte, die in zu Festungen ausgebauten Häusern wohnten.
Wen suche ich mir aus?, überlegte er. Wer stellt eine größere Herausforderung als Boethe und Lara Gibson dar?
Dann weckte ein Zeitungsartikel sein Interesse, den Shawn entdeckt und vor über einem Monat gemailt hatte. Er betraf eine Familie, die in einem wohlhabenden Teil von Palo Alto wohnte.
HOCHSICHERHEIT IN EINER HIGH-TECH-WELT
Donald W. ist ein Mann, der dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen ist. Ein Erlebnis, das ihm nicht sehr gefallen hat.
Donald, 47, der einem Interview nur zugestimmt hat, wenn wir seinen Nachnamen nicht abdrucken, ist Manager einer der erfolgreichsten Risikokapitalgesellschaften im Silicon Valley. So mancher würde sich im Erfolg einer solchen Karriere sonnen, doch Donald versucht mit allen Mitteln, seinen beruflichen Erfolg und alle anderen Aspekte seines Lebens völlig anonym zu halten.
Dafür gibt es einen sehr triftigen Grund: Vor sechs Jahren wurde er während eines Aufenthalts in Argentinien, wo er sich zu einem Geschäftsabschluss mit Investoren aufhielt, mit vorgehaltener Pistole entführt und zwei Wochen lang gefangen gehalten. Seine Firma kaufte ihn damals für eine ungenannte Summe Lösegeld frei.
Kurz darauf wurde Donald von der Polizei in Buenos Aires unverletzt aufgefunden, aber er sagt, er sei seither ein anderer Mensch geworden.
»Man sieht dem Tod direkt ins Auge und überlegt, was man alles als selbstverständlich hingenommen hat. Wir glauben, wir leben in einer zivilisierten Welt, aber weit gefehlt.«
Donald gehört zu der wachsenden Anzahl wohlhabender Manager im Silicon Valley, die ihre Sicherheit sehr ernst nehmen …
Donald und seine Frau haben sogar die Privatschule für ihr einziges Kind Samantha (8) auf Grund von Sicherheitskriterien ausgesucht.
Perfekt, dachte Phate und ging sofort online.
Die Anonymität dieser Person war natürlich nur ein kleines Hindernis. Nach zehn Minuten hatte er sich in den Redaktionscomputer der Zeitung gehackt, wo er die Notizen des Reporters suchte, der den Artikel verfasst hatte. Kurz darauf standen ihm sämtliche Angaben, die er zu Donald Wingate, wohnhaft in 32983 Hesperia Way, Palo Alto, brauchte, zur Verfügung: Verheiratet mit Joyce (42), geborene Shearer, Mutter von Samantha (8), die die dritte Klasse der Junípero Serra School in 2346 Rio Del Vista, ebenfalls Palo Alto, besuchte. Er erfuhr auch von Wingates Bruder Irving und Irvs Frau Kathy und den beiden Leibwächtern, die Wingate angestellt hatte.
Manche MUDSpieler sähen es wohl als schlechte Strategie an, noch einmal den gleichen Typ von Ziel anzuvisieren – in diesem Fall eine Privatschule –, und das gleich zwei Mal hintereinander. Phate hingegen fand, dass es ein genialer Schachzug war, weil er die Bullen damit eiskalt erwischte.
Noch einmal scrollte er langsam durch die Eintragungen.
Wer willst du sein?
»Sie werden doch nicht auf ihn schießen, oder?«, sagte Patricia Nolan. »Schließlich ist er nicht gefährlich, das wissen Sie.«
Frank Bishop knurrte, dass sie Gillette schon nicht in den Rücken schießen würden, dass er sonst jedoch keine Garantie abgeben könne. Keine besonders höfliche Antwort, aber momentan musste er sich darauf konzentrieren, den Flüchtigen wieder einzufangen, und er hatte keinen Kopf dafür, Beraterinnen zu trösten, die sich in Kriminelle verliebt hatten.
Der Hauptanschluss der CCU klingelte.
Tony Mott nahm den Anruf entgegen, hörte zu und nickte mit ungewöhnlich weit aufgerissenen Augen mehrere Male vor sich hin. Bishop fragte
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