Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
Lande unsterblichen Ruhm und Ehre verleihen …
Ein bejahrter Fremder trat ein und kam mit langsamem und geräuschlosem Schritt den Mittelgang herauf, die Augen auf den Geistlichen geheftet, die hohe Gestalt in ein Gewand gehüllt, das bis an die Füße reichte, barhäuptig, das weiße Haar in vollen Locken auf die Schultern herabwallend, das zerfurchte Gesicht unnatürlich bleich, geisterhaft bleich. Während sich alle Blicke fragend auf ihn richteten, ging er schweigend seinen Weg; ohne einzuhalten, stieg er hinauf an die Seite des Priesters und stand abwartend da. Mit geschlossenen Augen fuhr der Geistliche, seiner Gegenwart nicht bewusst, in seinem ergreifenden Gebet fort und schloss endlich mit der inbrünstigen Bitte: »Segne unsere Waffen, gewähre uns den Sieg, o Herr, unser Gott, du Vater und Beschützer unseres Landes und unserer Flagge!«
Der Fremde berührte seinen Arm, bedeutete ihm beiseitezutreten – was der überraschte Geistliche auch tat – und nahm seinen Platz ein. Einige Augenblicke ließ er die ernsten Augen, in denen ein unirdisches Licht brannte, auf der Gemeinde ruhen; dann sprach er mit tiefer Stimme:
»Ich komme von Seinem Thron – und bringe eine Botschaft Gottes, des Allmächtigen!« Die Worte trafen die Gemeindewie ein Schlag; wenn der Fremde es gewahrte, so achtete er dessen jedenfalls nicht. »Er hat das Gebet Seines Dieners, eures Hirten, vernommen und will es erhören, falls dies noch euer Wunsch ist, wenn ich, Sein Bote, euch die Tragweite des Gebetes erläutert habe – das heißt, seine volle Tragweite. Denn es gleicht vielen Gebeten der Menschen, indem es mehr fordert, als der, der es spricht, erkennt – sofern er nicht innehält und nachdenkt.
Gottes Diener, der auch der eure ist, hat sein Gebet gesprochen. Hat er innegehalten und nachgedacht? Ist es ein einziges Gebet? Nein, es sind zwei – das eine ausgesprochen, das andere nicht. Beide haben das Ohr Dessen erreicht, der alle Bitten vernimmt, die ausgesprochenen und die unausgesprochenen. Denkt gut darüber nach – vergesst es nicht. Wollt ihr einen Segen für euch selbst erbitten, hütet euch, auf dass ihr nicht ungewollt gleichzeitig einen Fluch auf euren Nächsten herabbeschwört. Wenn ihr um den Segen des Regens für eure Ernte betet, die seiner bedarf, betet ihr dadurch vielleicht einen Fluch auf die Ernte eures Nächsten herbei, die keinen Regen braucht und Schaden erleidet.
Ihr habt das Gebet eures Dieners gehört – den ausgesprochenen Teil. Ich bin von Gott beauftragt, den anderen Teil in Worte zu fassen – jenen Teil, den der Pfarrer – und auch ihr in euren Herzen – inbrünstig im Stillen gebetet habt. Nichtsahnend und gedankenlos? Gebe Gott, dass es so war! Ihr habt die Worte gehört: ›Gewähre uns den Sieg, o Herr, unser Gott!‹ Das ist genug. Das ganze ausgesprocheneGebet ist in diesen bedeutungsschweren Worten zusammengefasst. Sie bedurften keiner weiteren Ausschmückung. Als ihr um den Sieg gebetet habt, habt ihr um viele unerwähnte Folgen gebetet, die der Sieg mit sich bringt – mit sich bringen muss , unbedingt mit sich bringen muss. Der lauschende Geist Gottvaters vernahm auch den unausgesprochenen Teil des Gebetes. Er gebietet mir, ihn in Worte zu fassen. Höret also!
›O Herr, unser Vater, unsere jungen Patrioten, die Abgötter unseres Herzens, gehen in die Schlacht – sei Du ihnen nahe! Mit ihnen verlassen auch wir – im Geiste – den süßen Frieden unserer geliebten Heimstätten, um den Feind zu schlagen. O Herr unser Gott, hilf uns, mit unseren Granaten ihre Soldaten in blutige Stücke zu reißen; hilf uns, ihre lieblichen Auen mit den bleichen Gestalten ihrer toten Patrioten zu bedecken; hilf uns, auf dass das Geschrei ihrer Verwundeten, die sich krümmen vor Schmerzen, den Donner der Kanonen überschalle; hilf uns, durch einen Feuersturm ihre bescheidenen Hütten zu verwüsten; hilf uns, auf dass die Herzen der schuldlosen Witwen vor hoffnungsloser Trauer brechen; hilf uns, sie mit ihren kleinen Kindern von Haus und Hof zu vertreiben, auf dass sie hilflos umherirren in der Wüstenei ihres vernichteten Landes, in Lumpen, hungernd und dürstend, ein Spielball der Sonnenglut des Sommers und der eisigen Stürme des Winters, gebrochenen Mutes und erschöpft von der Mühsal, und Dich vergeblich anflehen um die Zuflucht des Grabes – umunseretwillen, die wir Dich anbeten, o Herr, zerstöre ihre Hoffnung, vernichte ihr Leben, verlängere ihre bittere Pilgerschaft, mache ihren
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